In einem Nebengebäude des Kapitols haben sich in den letzten Tagen gleich mehrere Parlamentskommissionen mit dem Thema Antisemitismus an Hochschulen befasst. Besonders im Brennpunkt stehen renommierte Elite-Universitäten wie Harvard, Princeton, Columbia oder auch die Cornell University.
Wenn ihr eine jüdische Person auf dem Campus seht, folgt ihr und schlitzt ihr die Kehle auf.
Dort studiert Amanda Silberstein. Sie erzählt, wie ihr und ihren jüdischen Mitstudierenden in Online-Hassnachrichten gedroht wurde. Darin hiess es zum Beispiel, dass auf alle in der einzigen Koscher-Kantine auf dem Campus geschossen werde, dass Häuser und Einrichtungen, die sie besuche, bombardiert würden, schildert Silberstein an diesem Hearing.
In einer anderen Nachricht stand: «Wenn ihr eine jüdische Person auf dem Campus seht, folgt ihr und schlitzt ihr die Kehle auf.» Ein Student wurde inzwischen verhaftet und angeklagt, da er beschuldigt wird, Verfasser dieser Nachrichten gewesen zu sein. Ein Professor wurde suspendiert, da er im Internet die Hamas glorifiziert hatte.
Die Cornell University hat inzwischen die Polizeipräsenz und das Sicherheitsdispositiv verstärkt. Eine andere Studentin, Talia Dror, ist überzeugt, dass es überhaupt so weit gekommen sei, liege auch an der zunächst zögerlichen und zwiespältigen Reaktion der Cornell University.
In ihrer ersten Stellungnahme habe die Universität den Verlust von Menschenleben im Nahen Osten mit Todesfällen durch Naturkatastrophen verglichen, sagt Dror: «Sie liess es zu, dass Spannungen auf dem Campus schwelten, dass Professoren mit Terroristen sympathisierten und dass jüdische Studierende auf ihrem Campus zur Zielscheibe wurden.»
Wir hören von jüdischen Studierenden, die angegriffen oder belästigt werden, von Vandalismus an ihrem Eigentum.
Die Cornell University ist kein Einzelfall. Kenneth Marcus ist Gründer und Vorsteher des Louis Brandeis Center, einer gemeinnützigen Organisation, die sich für die Bürger- und Menschenrechte von Jüdinnen und Juden einsetzt.
Er sagt, es sei alarmierend, wie die Anzahl von antisemitischen Zwischenfällen an Hochschulen seit dem 7. Oktober in die Höhe geschnellt sei: «Wir hören von jüdischen Studierenden, die angegriffen oder belästigt werden, von Vandalismus an ihrem Eigentum. Und dies nicht nur an einigen wenigen Hochschulen, die man als Hotspots bezeichnen könnte, sondern an so vielen, dass man keinen einzigen sicheren Ort ausmachen kann.»
Ähnliches beobachtet Adam Lehman, der CEO der Hillel, der weltweit grössten jüdischen Studentenorganisation, die in den USA an rund 700 Hochschulen präsent ist. Er schildert, wie jüdische Studierende auf dem Campus bespuckt, mit palästinensischen Fahnenstangen geschlagen oder körperlich angegriffen wurden, weil sie Plakate zur Erinnerung an israelische Geiseln aufgehängt hatten.
Lehman betont, niemand wolle, dass das Recht auf freie Meinungsäusserung oder die akademische Freiheit beschnitten werde. Es solle Raum für Debatten über den israelisch-palästinensischen Konflikt und andere geopolitische Fragen geben, einschliesslich Raum für diejenigen, die sich für Israelis und Palästinenser einsetzen. «Aber weder die freie Meinungsäusserung noch die akademische Freiheit sind Freipässe für gezielte Belästigung, Bedrohung, Diskriminierung und Gewalt, die sich gegen jüdische und israelische Studierende richten.»