«Du hast den Farbfilm vergessen» von Nina Hagen aus dem Jahre 1974 ist der berühmteste Strandhit der DDR. Dieses Gefühl kann man nochmals haben am Bakenberg Strand auf der Ostseeinsel Rügen. Für 7.50 Euro die Nacht. Aber der Reihe nach.
Candy Dassler ist Inhaber und Geschäftsführer des «Betriebsferienlagers Gera», dem letzten DDR-Feriendorf auf Rügen. Es gehörte einst dem volkseigenen Betrieb «Rationalisierung Gera», in dem Dasslers Vater arbeitete und Candy als Kind die Sommerferien verbrachte. «2017 hatte ich die Chance, das Ferienlager zu erwerben und versuche seitdem, es so zu 80 Prozent im Originalzustand der DDR-Zeit zu belassen», sagt Dassler.
Das heisst: Kein Fernsehen, kein W-LAN. Stattdessen gibt es ein Radio, die Besucher holen ihr Wasser im Sanitärgebäude. «So war es auch für uns damals. Wir mussten das Wasser mit Eimern in die Bungalows bringen. Sie haben zwar eine kleine Küche, aber ohne fliessend Wasser.» Auch Toiletten hat es keine in den Bungalows. «Man kann hier also genauso Urlaub machen wie zu DDR-Zeiten», bilanziert Dassler.
Westberliner Radioluft
Urlaub in der Mangelwirtschaft – zieht das? Offensichtlich. «Seit 2017, also dem Jahr der Eröffnung, sind wir Gott sei Dank fast ausgebucht. Und die Urlauber, die schon einmal hier waren, kommen auch wieder», sagt Dassler.
Das Preisniveau ist dem «Mangelwirtschafts-Urlaub» entsprechend. «Auf Rügen kann man sonst nirgends für 7.50 Euro pro Person direkt am Strand übernachten.» Und klar: Am Ostseekiosk im Betriebsferienlager gibt's nur Ostprodukte und Westmusik.
«Zu DDR-Zeiten hat ja fast niemand DDR-Radio gehört, der andere Sender reingekriegt hat», sagt Dassler. Im Kiosk läuft der einstige Westberliner Sender «Rias 2», die Aufnahmen stammen aus den 70er- und 80er-Jahren.
Hinter dem Kiosk sitzen Jana und ihre Tochter vor ihrem Bungalow. «Die Blümchentapete, das Alubesteck ‹Gartensilber› – das ist ja irgendwo alles Kult», sagt Jana. Die Sehnsucht nach dem «Gartensilber» war aber nicht der Grund für den Besuch.
«Eigentlich ganz schön»
«Wir sind zum zweiten Mal da, weil der Urlaub hier recht preiswert ist. Dieses ganze DDR-Gedöns ist mir gar nicht wirklich wichtig. Die Nationalhymne, die DDR-Lieder, die am Sonntagabend auf der DDR-Party laufen... Das ist nicht wirklich meins.»
Die Teenager-Tochter in Shorts und Hütchen findet's ganz okay, im DDR-Style Urlaub zu machen. «Ist eigentlich ganz schön.» Auch ohne Handy-Empfang. «Geht eigentlich.» Ferien wie in der DDR, Kult-Party und Hymne? Jana muss schmunzeln. «Das hat uns damals alles total angenervt, wir wollten das überhaupt nicht. Jetzt tun wir uns das freiwillig an.»