Obwohl es in Moskau bereits halb zwei Uhr in der Nacht war, als Wladimir Putin, Wolodimir Selenski, Angela Merkel und Emmanuel Macron mit fünfstündiger Verspätung vor die Medien traten, strahlte das staatliche-russische Fernsehen eine Sondersendung aus. Solche Aufmerksamkeit gibt es in Russland nicht zufällig – und es macht deutlich, dass Putin ein Interesse daran hat, dass das Treffen in Paris als Erfolg verbucht wird.
Putin kämpft mit einer zunehmend unzufriedenen Bevölkerung. Gute Nachrichten, die die Zustimmungswerte zum Präsidenten in Russland aufbessern, hat der Kreml dringend nötig. Der ukrainische Präsident dürfte ebenso ein Interesse daran haben, mit dem Ende des Konflikts eines seiner Wahlversprechen einzulösen. Doch im Gegensatz zu Wladimir Putin wirkt es glaubwürdig, wenn der aus dem Südosten der Ukraine stammende Selenski davon spricht, dass sein grösstes Ziel die Verhinderung von weiterem Leid und Toten sei.
(K)eine Konfliktpartei
Alleine die Tatsache, dass der ukrainische und der russische Präsident am selben Tisch nach einer Pressekonferenz den Medien Rede und Antwort stehen, deutet auf einen Fortschritt in den Verhandlungen zwischen den beiden Ländern hin. Noch beim letzten Treffen vor drei Jahren unter dem Vorgänger des amtierenden Präsidenten Selenski fuhren die ukrainische und die russische Seite vor Beginn der Pressekonferenz vom Gipfeltreffen davon.
Es gehört nach wie vor zu den absurden Blüten der Machtpolitik, dass Russland über das Ende eines Konflikts verhandelt, an dem es offiziell weiterhin gar nicht beteiligt ist. Wladimir Putin wiederholte gebetsmühlenartig, dass man nichts anderes fordere wie seit Jahren, nämlich die Umsetzung des zweiten Friedensabkommens von Minsk. Für jemanden, der noch vor einem halben Jahr als Politikneuling galt, bot der 41-jährige Selenski dem russischen Präsidenten zwar diplomatisch, aber dezidiert die Stirn.
Bestehende Machtverhältnisse
Aus den nun beschlossenen Punkten wird klar, dass die Verhandlungen über einen Frieden in der Ostukraine erst am Anfang stehen. Mit einem weiteren Truppenabzug an drei Punkten der Kontaktlinie, neuen Übergängen für die Zivilbevölkerung und dem erklärten Willen zur Einhaltung des Waffenstillstandes, kann man Gesprächsergebnisse verkünden, ohne dass es dabei zu einer tatsächlichen Machtverschiebung zugunsten der Ukraine kommen würde.
Dass Russland und die Ukraine sich auf einen erneuten Gefangenenaustausch noch bis Ende des Jahres einigen konnten, wird auf das unmittelbare Leben von Menschen den grössten positiven Einfluss haben. Für jeden Einzelnen von ihnen hat sich das Treffen in Paris bereits gelohnt. Der grösste Knackpunkt, die Fragen nach den Rahmenbedingungen zur Durchführung von Lokalwahlen in der Ostukraine, konnte man am Treffen nur streifen. In vier Monaten will man sich erneut treffen, mit Verzögerungen darf gerechnet werden.