Der Konflikt zwischen der Ukraine und Russland im Streit um die Annexion der Halbinsel Krim und der Krieg in der Ostukraine schwelt seit Jahren. Nun kommen Russlands Präsident Wladimir Putin und sein ukrainischer Amtskollege Wolodimir Selenski in Paris zum sogenannten «Normandie-Treffen» zusammen. SRF beantwortet zum Gipfel die wichtigsten Fragen.
Warum ist dieses Treffen so wichtig? Es ist das erste Treffen im sogenannten Normandie-Format seit drei Jahren. Nur schon deswegen gibt der Gipfel von Paris Anlass zu einer leisen Hoffnung: Die Konfliktparteien reden wieder miteinander. Verhandelt wird zu viert – die Präsidenten der Ukraine, Russland, Frankreich und die deutsche Kanzlerin suchen einen Ausweg aus dem Konflikt in der Ostukraine. Möglich geworden ist dieser Gipfel, weil Wolodimir Selenski im Frühling in der Ukraine an die Macht kam. Der junge Präsident tritt gegenüber Russland milder auf; und auch der Kreml zeigt eine gewisse Kompromissbereitschaft.
In den vergangenen Monaten haben Russen und Ukrainer mehrere Dutzend Gefangene ausgetauscht. Zudem gab es Bewegung an der Frontlinie: Die ukrainische Armee und die von Russland unterstützten Separatisten haben sich an mehreren Frontabschnitten zurückgezogen. Anderswo wird allerdings immer noch gekämpft.
Was will der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski? Selenski will vor allem eins: Frieden. Das war sein grösstes Wahlkampfversprechen. Einer seiner Berater hat denn auch erklärt, dass für Kiew ein sofortiger Waffenstillstand und der Austausch von allen Gefangenen wichtigstes Thema sei in Paris. Zudem ist Kiew bereit, zu einer politischen Lösung Hand zu bieten. Grundlage soll das Abkommen von Minsk aus dem Jahr 2015 sein. Demnach ist vorgesehen, dass die Rebellengebiete innerhalb der Ukraine einen Sonderstatus bekommen, also gewisse Autonomierechte.
Zudem sollen Lokalwahlen abgehalten werden. Allerdings hat die Ukraine auch Bedingungen gestellt: Sie will die Kontrolle über ihre gesamte Landesgrenze zurückbekommen, konkret über die Abschnitte, welche zurzeit die Separatisten kontrollieren und über die Russland Waffen, Kämpfer und Geld ins Konfliktgebiet schickt. Darüber hinaus besteht Wolodimir Selenski darauf, dass die Lokalwahlen nach ukrainischem Recht abgehalten werden.
Was will der Kreml? Die russische Regierung wünscht sich, dass der Gipfel von Paris «konkrete Resultate» bringt. Die Verhandlungsposition des Kremls ist undurchsichtig. Einerseits besteht Moskau – wie auch Frankreich und Deutschland – auf der Umsetzung des Minsker Abkommens. Andererseits ist Russland militärisch und politisch sehr viel präsenter in der Ostukraine, als dass es dies zugibt. Die Separatisten-Gebiete werden weitgehend aus dem Kreml gesteuert.
Man kann davon ausgehen, dass Russland die Ostukraine auch weiterhin indirekt kontrollieren möchte – um bei Bedarf die Regierung in Kiew unter Druck setzen zu können. Dem Kreml geht es vor allem darum, eine weitere Annäherung der Ukraine an den Westen, besonders an die Nato, zu verhindern.
Wie gut stehen die Chancen auf einen Durchbruch der Verhandlungen? Dass dieses Treffen überhaupt stattfindet, ist schon ein Erfolg. Zudem haben Ukrainer wie Russen in den letzten Monaten grundsätzlich Kompromissbereitschaft demonstriert. Es gibt also Anlass zu hoffen, dass in Paris einige Fortschritte erzielt werden. Allerdings gibt es weiterhin schwer überwindbare Probleme. Ein Streitpunkt ist etwa, wann die Ukraine die Kontrolle über ihre Landesgrenze zurückbekommt: vor oder erst nach den Lokalwahlen. Überhaupt ist unklar, wer die heutigen Separatisten-Gebiete künftig militärisch kontrollieren soll: Kiew oder Moskau-nahe Milizen. In diesen ganz entscheidenden Fragen ist es bisher zu keiner Annäherung gekommen.