Das ist passiert: Nach dem Wahlerfolg des Rassemblement National (RN) in der ersten Runde der Parlamentswahl in Frankreich scheint eine Regierung der Rechtsnationalen wahrscheinlicher denn je. Marine Le Pens RN könnte Prognosen zufolge am kommenden Sonntag stärkste Kraft in der Nationalversammlung werden. Die Rechtsnationalen träumen gar von der absoluten Mehrheit.
Die Ausgangslage: Präsident Emmanuel Macron und das linke Lager wollen eine rechte Regierung um jeden Preis verhindern und sind dafür zu einem Bündnis weit über die Parteigrenzen hinaus bereit. Auch wenn das RN in der ersten Wahlrunde am Sonntag deutlich vorn landete, ist nicht entschieden, wie viele Sitze die Rechtspopulisten in der Nationalversammlung stellen werden. Nur 76 französische Abgeordnete wurden in der ersten Runde gewählt, darunter die Führungsfigur Marine Le Pen. Alle anderen der 577 Sitze werden in Stichwahlen am 7. Juli vergeben.
Der Plan: Aufgrund der hohen Wahlbeteiligung von 66.71 Prozent und der starken Konzentrierung auf die drei politischen Blöcke haben sich in ungewöhnlich vielen Wahlkreisen gleich drei Kandidaten für diesen zweiten Wahldurchgang qualifiziert. Französische Medien berichteten am Montag von gut 300 möglichen Triellen. Um sich nicht gegenseitig Stimmen wegzunehmen und dem RN damit lokal zum Sieg zu verhelfen, plane man Folgendes, wie es aus Macrons Partei und dem Linksbündnis hiess. Man werde überall dort, wo man auf dem dritten Platz gelandet sei, zugunsten der Kandidaten zurücktreten, die RN schlagen können. Die Parteien hoffen darauf, dass die sogenannte Brandmauer gegen Rechts Le Pen auf ihrem Vormarsch erneut aufhält.
Die Zukunft: Ein Sieg des RN in den Stichwahlen hätte schwerwiegende Folgen. Bekommt die Partei die absolute Mehrheit, wäre Macron faktisch gezwungen, einen Premier aus ihren Reihen zu ernennen. Denn das Unterhaus kann die Regierung stürzen. Macrons Macht würde deutlich schrumpfen. Für Europa hiesse das, dass Frankreich unzuverlässiger werden würde. Zwar hat Macron als Präsident in der Aussenpolitik die Oberhand. Mit dem rechtsnationalen Parteichef Jordan Bardella als Premier dürfte er seine Linie aber kaum ungehindert fortsetzen können. Das RN gibt wenig auf die enge Zusammenarbeit mit Berlin und steht Brüssel kritisch gegenüber. Sollte die gemeinsame Front einen Durchmarsch der Rechten tatsächlich abwenden und keines der Lager eine absolute Mehrheit erlangen, stünde Frankreich vor zähen Koalitionsverhandlungen. Wird keine Lösung gefunden, dürfte dem Land politischer Stillstand drohen.