- Zwei Wochen nach der Parlamentswahl in Israel hat Staatspräsident Reuven Rivlin den rechtskonservativen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu erneut mit der Regierungsbildung beauftragt.
- Rivlin erteilte den Auftrag mit einer Ansprache in seinem Amtssitz in Jerusalem.
- Netanjahu erhielt damit den Vorrang gegenüber dem Oppositionsführer Jair Lapid.
Der Präsident betonte, zwar verfüge keiner der Abgeordneten gegenwärtig über eine Mehrheit im Parlament. Netanjahu habe aber etwas bessere Chancen als andere. Angesichts des Korruptionsprozesses gegen den Regierungschef sei es keine leichte Entscheidung gewesen, ihn erneut mit der Regierungsbildung zu beauftragen, sagte Rivlin.
Der 71-jährige Netanjahu hatte zuvor bei Beratungen der Parteichefs mit Rivlin die meisten Empfehlungen erhalten: 52 Abgeordnete sprachen ihm ihre Unterstützung aus. Sein Rivale, der Oppositionsführer Jair Lapid, erhielt Empfehlungen von 45 Abgeordneten. Lapids Zukunftspartei ist in der politischen Mitte angesiedelt.
Insgesamt sechs Wochen Zeit
Weder Netanjahus Lager noch seine Gegner haben jedoch eine Mehrheit im Parlament mit 120 Sitzen. Deswegen bleibt die Regierungsbildung auch nach der vierten Parlamentswahl binnen vier Jahren ungewiss. Der vom Präsidenten beauftragte Kandidat hat vier Wochen Zeit für die Bildung einer Koalition und kann noch eine zweiwöchige Verlängerung beantragen.
In dem Land stehen nun schwierige und langwierige Koalitionsgespräche bevor. Eine weitere Neuwahl noch in diesem Jahr ist nicht ausgeschlossen.
Überschattet von Korruptionsprozess
Netanjahu ist der am längsten regierende Ministerpräsident in der Geschichte des modernen Israel. Er ist seit 2009 im Amt. Gegen ihn läuft derzeit ein Korruptionsprozess, Netanjahu ist wegen Betrugs, Untreue und Bestechlichkeit angeklagt. Der Regierungschef spricht von einer Hexenjagd und wirft der Staatsanwaltschaft einen «Putschversuch» gegen ihn vor.
Der 57-jährige Lapid rief am Montagabend zur Bildung einer breiten Regierung ohne Netanjahu auf. Netanjahu habe mit seinen Äusserungen bewiesen, dass er gefährlich für das Land geworden sei. Lapid bot Naftali Bennett von der ultrarechten Jamina-Partei eine Koalition mit Rotation im Amt des Ministerpräsidenten an. Er sei bereit, Bennett dabei den Vortritt zu lassen.