«Der letzte Pharao» wurde der verstorbene ägyptische Ex-Präsident Hosni Mubarak auch genannt. Er regierte während 30 Jahren mit eiserner Hand über Ägypten – bis Massenproteste ihn 2011 aus dem Amt fegten. Allerdings hätten die Ägypter heute noch viel weniger Freiheiten als unter Mubarak, sagt die Journalistin Astrid Frefel.
SRF News: 1981 wurde Hosni Mubarak Präsident Ägyptens. Wie reagierten seine Landsleute auf den neuen Mann?
Astrid Frefel: Man hat ihn zunächst verspottet. Ihm wurde wenig Brillanz attestiert. Mit den Jahren wurde Mubarak zudem immer unnahbarer, es wurde ihm vorgeworfen, er pflege einen zu grossen Abstand zum Volk.
Mubarak ging sehr brutal gegen jede Opposition vor. Schlug dabei der anfängliche Spott in Angst um?
Sein Regime war auf Angst aufgebaut. Mubarak war als Herrscher praktisch unantastbar und er verfügte über eine grosse Machtfülle. Er war stets darauf bedacht, das Zepter nicht aus der Hand zu geben. Mehrere gescheiterte Attentatsversuche bestärkten ihn in seiner harten Haltung.
Mubarak stützte seine Macht auf die Armee und die Geheimdienste – und auf milliardenschwere Militärunterstützung aus den USA. Wieso war Mubarak für die USA und den Westen derart interessant?
Mubarak versprach Stabilität in einer sehr unruhigen Region – und die Einhaltung des Friedensvertrags von Camp David mit Israel. Er stellte sich als Garant dar, ohne den das Chaos ausbrechen würde. Das vergütete ihm der Westen mit mehreren Milliarden Dollar pro Jahr.
Die Rechnung bezahlte die Bevölkerung.
Tatsächlich schaffte es Mubarak in den 30 Jahren an der Macht, sein Land aus allen grösseren Konflikten herauszuhalten. Die Bevölkerung jedoch bezahlte die Rechnung – indem sie auf jegliche politische und persönliche Freiheiten verzichten musste.
In den letzten Jahren an der Macht nannte ihn das Volk «Pharao». Hat sich Mubarak tatsächlich so gefühlt?
Dieses Bild entstand auch wegen des ausgeprägten Personenkults um den Herrscher. So hing in allen Amtsstuben und andernorts ein Porträt Mubaraks, das wachsartig geschönt war und ihn völlig alterslos zeigte. Das prägte sein Image als «Pharao am Nil». Er verfügte über eine riesige Machtfülle in Ägypten, die er mit niemandem teilte.
Was hat schlussendlich zum Sturz Mubaraks 2011 geführt?
Eine ganze Reihe von Gründen hat die Revolution ausgelöst. Sicher waren Korruption und Polizeibrutalität zwei davon. Ein weiterer Grund war wohl die langsame gesellschaftliche Öffnung in den letzten Mubarak-Jahren. Die Zivilgesellschaft erhielt mehr Ausdrucksmöglichkeiten als früher, es kam etwa auch zu Streiks. Die Unzufriedenheit konnte zum ersten Mal öffentlich artikuliert werden.
Mubarak wollte seinen Sohn inthronisieren.
Hinzu kam, dass Mubarak drauf und dran war, seinen Sohn als Nachfolger zu inthronisieren, was vom Volk nicht goutiert wurde. Der zündende Funke aber sprang wohl aus Tunesien über, wo der Langzeitherrscher Ben Ali von den Massen davongejagt worden war.
Neun Jahre ist es nun her, seit Mubarak abgesetzt wurde. Wie sind die Zustände in Ägypten heute?
Verglichen mit den letzten Mubarak-Jahren ist die Situation heute viel schlimmer. Damals gab es die ersten unabhängigen Medien, es gab Organisationen der Zivilgesellschaft, es wurde auch über politische Themen diskutiert. Heute ist das völlig anders: Diskussionen gibt es keine mehr, es wird nur noch von oben befohlen. Die Medien oder zivilgesellschaftliche Organisationen haben überhaupt keinen Spielraum mehr, um sich zu artikulieren oder überhaupt zu arbeiten.
Das Gespräch führte Barbara Büttner.