- Ein türkisches Berufungsgericht hat Haftstrafen von insgesamt rund fünf Jahren sowie ein Politikverbot gegen die bekannte Istanbul-Chefin der grössten Oppositionspartei CHP bestätigt.
- Canan Kaftancioglu dürfe sich damit fünf Jahre lang nicht mehr politisch betätigen, sagte ihr Anwalt Ergün Özer der Deutschen Presse-Agentur. Özer wiederum kündigte Einspruch gegen das Urteil an.
- Ob Kaftancigolu die Haftstrafe antreten muss, war zunächst unklar. Sie gilt als wichtige Politikstrategin. Voraussichtlich im Sommer 2023 sollen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen stattfinden.
Kaftancioglu ist CHP-Vorsitzende der Provinz Istanbul und eine einflussreiche Unterstützerin ihres Parteikollegen Ekrem Imamoglu, dem Bürgermeister von Istanbul. Sie wurde im Jahr 2019 wegen mehrerer Anklagepunkte, darunter Präsidentenbeleidigung und öffentlicher Herabwürdigung des türkischen Staates, zu fast zehn Jahren Haft verurteilt worden.
Das Oberste Gericht in Ankara bestätigte nach Angaben des Anwalts nun die Urteile in drei Anklagepunkten mit einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren, 11 Monaten und 20 Tagen. Urteile wegen Terrorpropaganda und Volksverhetzung hob das Gericht demnach auf. Die Anklage hatte sich auf Twitter-Nachrichten aus den Jahren 2012 bis 2017 gestützt.
Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu rief alle Abgeordneten seiner Partei dazu auf, sich aus Protest umgehend zur Istanbuler Parteizentrale zu begeben. Der Istanbuler Bürgermeister Imamoglu bezeichnete Kaftancioglu als seine «Weggefährtin» und verurteilte die Entscheidung als politisch motiviert.
Imamoglu wird von einigen als Oppositionskandidat gegen Staatschef Recep Tayyip Erdogan bei der Präsidentenwahl im kommenden Jahr gehandelt. Der Sieg Imamoglus bei der Bürgermeisterwahl 2019 hatte Symbolwert: Davor wurde die Metropole mehr als 25 Jahre lang von Erdogans Regierungspartei AKP regiert.