Die Fernsehdebatte zwischen Präsident Macron und Herausforderin Marine Le Pen war als Höhepunkt des französischen Wahlkampfs angekündigt worden. Im Nachgang darf man den deutschen Dramatiker Bertolt Brecht zitieren – verkürzt und leicht abgewandelt: «Vorhang zu und viele Fragen offen.»
Klar ist immerhin: Es gab in dieser Debatte keine eindeutige Siegerin und keinen eindeutigen Sieger. Die Debatte verlief weitgehend ausgeglichen. Kandidatin Marine Le Pen pflegte weiter das Bild, auf dem sie ihren Wahlkampf aufgebaut hat: Dass sie sich um das Wohl der kleinen Leute kümmern will. Sie forderte ein solidarisches Frankreich. Dass sie damit vor allem Französinnen und Franzosen meint, machte sie nur in Zusammenhang mit Europa und der internationalen Politik deutlich.
Amtsinhaber Emmanuel Macron zeigt sich dossierfest. Angriffe auf seine Gegnerin leitete er oft mit einem Kompliment ein, ihre Attacken parierte er häufig mit der Feststellung, sie stünden im Widerspruch mit Le Pens Abstimmungsverhalten im Parlament.
Im Korsett der Dramaturgie
Acht Themen verteilt auf 150 Minuten Sendezeit – die wichtigste Spielregel dabei: Die Kandidatin und der Kandidat hatten beide exakt die gleiche Redezeit. Dies war schon per Gesetz so vorgeschrieben.
Auch sonst war die Debatte klar strukturiert und dies prägte die Dynamik: War die Redezeit zu einem der acht Themen abgelaufen – leiteten die Moderatorin und der Moderator das nächste ein, selbst wenn noch Fragen offen waren. So blieb es bei den bekannten Argumenten – die Debatte brachte wenig Neues.
Distanz halten
Trotzdem war nicht alles wie sonst immer: Bei ihren Soloauftritten vor dem eigenen Publikum greifen sich Marine Le Pen und Emmanuel meist sehr direkt an. Am Diskussionstisch hielten sich beide zurück und versuchten sichtbar, Distanz zu halten.
Marine Le Pen versuchte weniger schroff zu sein, um ihr Image zu glätten. Auf der anderen Seite blieb Macron stets bemüht, den Eindruck von Arroganz zu vermeiden, der ihm im Volk geschadet hat.
Die Debatte «Le Pen versus Macron» geriet so in der Wiederholung annähernd ausgeglichen und deutlich weniger spannend, als die Premiere vor fünf Jahren. Dies dürfte auch im Interesse von Präsident Macron liegen. Nach Umfragen hat sein Vorsprung gegenüber Marine Le Pen wieder zugenommen. Würde er noch grösser, dann könnten sich viele Macron-Wähler nochmals umbesinnen, weil sie im Grunde nicht für Macron stimmen, sondern Le Pen verhindern wollen. Darum bleibt für Macron die grosse Frage offen, ob er diesen Vorsprung bis zum Wahlsonntag halten kann.