Darum geht es: Österreichs Innenminister Herbert Kickl von der rechtsnationalen FPÖ steht in der Kritik. Er soll die Landespolizeidirektionen in einer E-Mail angewiesen haben, die Kommunikation mit kritischen Medien auf das rechtlich vorgesehene Minimum zu beschränken. Dabei nannte er auch konkrete Beispiele solcher Medien, etwa die Zeitungen «Der Standard» und der «Kurier». Wer positiv über die Regierung berichte, soll hingegen mit exklusiven Informationen belohnt werden. Florian Klenk, Chefredaktor der Wochenzeitung «Falter», hat das umstrittene Schreiben am Montag öffentlich gemacht.
So reagierte das Parlament: Gestern musste Kickl dem Parlament Rede und Antwort stehen – und erhielt daraufhin das Vertrauen der Regierungsparteien, der ÖVP und der FPÖ, ausgesprochen. Zwei Misstrauensanträge scheiterten. «Weder die Presse- noch die Meinungsfreiheit wird von irgendeiner staatlichen Institution oder einem seiner Mitarbeiter in Zweifel gezogen oder infrage gestellt», wies Kickl alle Vorwürfe der Medienzensur zurück. Er warf der Opposition eine bewusste Missinterpretation des Schreibens vor. So stünde darin kein einziges Wort von Infosperre oder Boykott. Vielmehr sei das Schreiben ein «eindeutiger Verweis auf die rechtlich vorgesehene Auskunftspflicht», und zwar gegenüber allen Medien, so Kickl.
Die Einschätzung eines Beobachters: Hans-Peter Siebenhaar, Korrespondent für das «Handelsblatt» in Wien, hat die Parlamentsdebatte gestern Nachmittag verfolgt. «Sie war sehr turbulent», sagt er, aber: «Wie zu erwarten war, gab es vom Innenminister keine Selbstkritik.» Vielmehr habe er die Verantwortung abgeschoben. Kickl sagte demnach, die E-Mail sei von Ressortsprecher Christoph Pölzl verfasst worden. Sie sei keine Weisung gewesen, «weil der Mitarbeiter in seiner Funktion gar keine Weisung erteilen kann», so Kickl. Dabei gebe es Zweifel daran, ob diese Darstellung tatsächlich zutrifft, so Siebenhaar. «Denn das könnte im Innenministerium durchaus System haben.»
Siebenhaar hält das Selbstverständnis der österreichischen Regierung «einer westlichen Demokratie nicht würdig». Aber man müsse es im Kontext der europäischen Rechtspopulisten sehen: «Es gehört offenbar zum Handwerkszeug rechtspopulistischer Parteien, die Medienfreiheit einzuschränken, beziehungsweise zu attackieren. Und da ist Österreich durchaus in Gesellschaft mit anderen EU-Ländern wie beispielsweise Ungarn oder Polen.»
Österreich ist da durchaus in Gesellschaft mit anderen EU-Ländern wie beispielsweise Ungarn oder Polen.
So geht es weiter: Innenminister Kickl stellte im Parlament in Aussicht, die entsprechenden Medienleitlinien an die Polizeistellen überarbeiten zu lassen. Der Korrespondent glaubt hingegen, dass dies nicht reichen wird. «Mittelfristig wird der Bundeskanzler nicht umhin kommen, Kickl aus dieser Position zu entfernen.» Dass sich Sebastian Kurz nicht klarer zu dieser Geschichte geäussert habe, habe auch damit zu tun, dass dieser die Koalition nicht aufs Spiel setzen wolle, indem er den eigenen Innenminister kritisiert. «Es geht darum, den Machtanspruch weiterhin zu behalten. Und beide Parteien, ÖVP und FPÖ, sind sehr darauf bedacht, keine Konflikte aufbrechen zu lassen.»