Die Flugzeuge des Typs Boeing 737-9 Max bleiben in den USA für unbestimmte Zeit am Boden. Dies, nachdem vor gut einer Woche während des Starts einer Maschine der Alaska Airlines ein Rumpfteil herausgebrochen war. Hansjörg Bürgi ist Chefredaktor des Luftfahrtmagazins Skynews und kommentiert den Vorfall.
SRF News: Was ist bei Boeing los?
Hansjörg Bürgi: Das würde mich auch interessieren. Boeing hat grössere Probleme. Es ist bedenklich, dass es so weit kommen musste, dass bei einem nigelnagelneuen Flugzeug ein solcher Vorfall überhaupt geschehen kann.
Bei der Überprüfung fanden die Alaska und die United Airlines lockere Schrauben an weiteren Boeing 737-9 Max. Wie kann das sein?
Das kann verschiedene Gründe haben, beispielsweise, wenn diese Türen, die von einem Zulieferer stammen, schon beim Zulieferer mangelhaft gefertigt wurden. Es kann auch sein, dass beim Einbau der Teile ins Flugzeug nicht sauber gearbeitet wurde und bei der Abnahme des Flugzeuges nicht alle erforderlichen Arbeiten erledigt wurden.
Bei einem Vorfall vor 50 Jahren wurde alles in unmittelbarer Nähe aus dem Flugzeug gesogen.
Gab es in der Vergangenheit bereits ähnliche Vorfälle?
Der gravierendste Fall ist schon über 50 Jahre her, bei der Einführung der McDonnell Douglas DC 10. (McDonnell Douglas war ein Flugzeugbauer, der 1997 mit Boeing fusionierte, Anmerk. der Red.) Es war 1972 bei American Airlines. Auf einem Flug ist das Frachttor weggebrochen. Das hatte denselben Effekt wie der Zwischenfall kürzlich: Es wurde alles in unmittelbarer Nähe aus dem Flugzeug gesogen. Zum Glück war das Flugzeug nur mit etwa 70 Leuten besetzt. (Bei dem Vorfall wurden zwei Stewardessen und neun Passagiere leicht verletzt, Anmerk. der Redaktion.)
Die anderen konnten sich in den vorderen Teil der Kabine retten und der Pilot hat es fertiggebracht, die beschädigte Maschine zu landen. Man hat diesen Vorfall damals untersucht und festgestellt, dass es bei dem Verschliessen des Frachttors zu einer technischen Unzulänglichkeit kam, dass das Tor nicht korrekt verschlossen wurde, obwohl von aussen alles gut aussah. Und McDonnell Douglas hat das nicht so ernst genommen. Ein paar Jahre später ist dann erneut eine DC 10 von Turkish Airlines mit über 300 Personen abgestürzt, aus demselben Grund: Die Frachttüre ist weggeflogen. Es hat einschneidende Konsequenzen gehabt. Deshalb wird nun alles daran gesetzt, dass man herausfindet, was bei diesen Türen an der 737-9 Max passiert ist.
Wenn der Vorfall bei der Boeing im Reiseflug auf einer Höhe von 10'000 bis 12'000 Meter passiert wäre, bei dem nicht mehr alle Fluggäste angeschnallt sind, wäre der Unterdruck noch viel grösser gewesen.
Was hätte passieren können, wenn die Türe kürzlich auf Reiseflughöhe abgefallen wäre?
Das Glück war, dass diese Türe im Steigflug auf etwa 4000 Meter weggefallen und niemand unmittelbar neben der Türe gesessen ist. Aber wenn das im Reiseflug auf einer Höhe von 10'000 bis 12'000 Meter passiert wäre, bei dem nicht mehr alle Fluggäste angeschnallt sind, wäre der Unterdruck noch viel grösser gewesen. Der Sog nach draussen wird viel grösser und da wären wohl einige Leute nach draussen gezogen worden.
Das Gespräch führte Nicole Roos.