Der chinesische Präsident Xi Jinping hat sich nach den monatelangen Protesten in Hongkong hinter Carrie Lam gestellt. Peking habe grosses Vertrauen in Hongkongs Regierungschefin, sagte Xi nach einem Treffen mit Lam in Schanghai. Journalist Felix Lee war bis vor kurzem in Hongkong. Er glaubt nicht, dass sich Lam noch lange im Amt halten kann – trotz der Rückendeckung aus China.
SRF News: Wie begründet Chinas Präsident seine Unterstützung für Lam?
Felix Lee: Die Proteste halten seit inzwischen fünf Monaten an. Die Stimmung in Hongkong wird immer aggressiver. Die Demonstranten haben sich zudem zunehmend radikalisiert. Auch Hongkongs Wirtschaft leidet, das ist die offizielle Begründung. China will, dass in ihrer Sonderverwaltungszone endlich wieder Ruhe einkehrt, und Lam scheint das aus Chinas Sicht nicht alleine hinzubekommen. Peking scheint sich nun mehr einmischen zu wollen.
Warum kommt diese Erklärung erst jetzt, nach monatelangen Protesten?
Chinas Staatspräsident scheint es nicht mehr nötig zu haben, blutige Bilder aus Hongkong zu vermeiden. Am 1. Oktober hatte die Spitze der Kommunistischen Partei den 70. Jahrestag der Volksrepublik gefeiert. Die Ereignisse in Hongkong sollten diese Feierlichkeiten nicht überschatten.
Die Ereignisse in Hongkong sollten die Feierlichkeiten zum Jahrestag der Volksrepublik nicht überschatten.
Diese Feierlichkeiten sind jetzt vorbei. Tatsächlich war schon vor diesen Feiern absehbar, dass Peking nach diesem Jahrestag eine härtere Gangart einschlagen würde – und das passiert leider jetzt auch.
Was heisst das nun für Hongkongs Regierungschefin?
Sie ist nicht nur in Hongkong angeschlagen. Viel relevanter ist, dass sie auch aus Pekinger Sicht äusserst ungeschickt agiert hat. Erst hat sie ein umstrittenes Auslieferungsgesetz eingeführt, das diese Proteste überhaupt erst entfacht hat, dann hat sie monatelang rumgeeiert, und nun bekommt sie seit fünf Monaten die Proteste nicht in den Griff. Peking wird sie zwar nicht sofort fallen lassen. Dennoch denke ich, Lams Tage im Amt sind gezählt.
Das Gespräch führte Claudia Weber.