In der chinesischen Stadt Shanghai beginnt am Montag der Prozess gegen die Bloggerin Zhang Zhan. Die 37-jährige Bürgerjournalistin hatte im Frühling via Youtube aus Wuhan berichtet – aus der verriegelten Stadt – und zwar so, wie es die Regierung in Peking nicht gerne sah. China-Korrespondent Martin Aldrovandi vermutet, dass China an ihr ein Exempel statuieren möchte.
SRF News: Was wird der Bloggerin Zhang Zhan konkret vorgeworfen?
Martin Aldrovandi: Ihr wird vorgeworfen, sie sei eine Unruhestifterin, eine Troublemakerin. Und auch, dass sie auf den sozialen Medien Falschinformationen verbreitet haben soll, zum Beispiel auf Twitter, aber vor allem auch auf YouTube.
Wie kritisch waren diese Videos? Was ist darin zu sehen?
Die Videos sind zum Teil sehr verwackelt, zum Teil auch sehr kurz. Sie waren aber alle, vor allem für chinesische Verhältnisse, sehr kritisch. Sie hat viele Menschen interviewt, ist zum Beispiel in Spitäler hereingegangen. Diese waren total überfüllt mit Betten und mit Menschen. Es war kein schönes Bild, das diese Videos zeigten.
Blogger sind gefährlich oder zumindest lästig, weil sie nicht in dieses Bild der Regierung passen, nämlich dass sie diese Krise gemeistert hat.
Auf einem Video streitet sie sich mit einem Polizisten mitten auf der Strasse. Es gibt Videos, in denen sie einfach in einem Zimmer sitzt, in die Kamera spricht und die Regierung kritisiert, auch das Verschwinden von anderen kritischen Bloggern kritisiert. Die Videos sind auf YouTube alle noch zugänglich.
Sie soll nach ihrer Verhaftung in den Hungerstreik getreten sein. Amnesty International berichtet auch, sie sei gefoltert worden. Wie geht es der Frau?
Offenbar geht es ihr gar nicht gut. Laut einem Anwalt wird sie gegen ihren Willen ernährt, also zwangsernährt und festgebunden, damit sie sich nicht wehren kann. Psychisch und physisch sei sie in sehr schlechter Verfassung.
Wie wird dieser Prozess ablaufen? Was muss man sich da vorstellen?
Das ist leider alles nicht besonders transparent. Wir müssen davon ausgehen, dass sie verurteilt wird. Sonst wäre sie gar nicht erst angeklagt worden. Das ist in China meistens der Fall, dass die Angeklagten in der Regel auch verurteilt werden. Wie gesagt, es gibt keine richtige Gewaltentrennung. Ich kann mir auch vorstellen, dass man an ihr einfach ein Exempel statuieren will und dass sie zu wahrscheinlich vier bis fünf Jahren Gefängnis verurteilt werden wird, das ist auch die Empfehlung der Staatsanwaltschaft.
Warum sind Blogger für die chinesische Regierung gefährlich?
Sie sind gefährlich oder zumindest lästig, weil sie nicht in dieses Bild der Regierung passen, nämlich dass sie diese Krise gemeistert hat. Man hört oft, dass China die Situation viel besser als alle anderen Länder bewältigt habe. Vor allem das westliche Ausland wird gerne vorgeführt. Wenn nun Leute wie Zhang Zhan kommen, welche Videos von weinenden Menschen oder überfüllten Spitälern zeigen, wird dieses Bild beschädigt.
Das Ganze wird auch in den chinesischen sozialen Medien diskutiert. Vor allem am Anfang der Krise war die Meinung von vielen Chinesinnen und Chinesen gegenüber der Regierung eher negativ. Damals hatte sich Präsident Xi Jinping auch kaum noch in der Öffentlichkeit gezeigt. Erst danach, als man gemerkt hatte, dass die Krise nun bald vorüber sei, ist er aufgetreten und hat sich als Retter inszenieren können.
Das Gespräch führte Roger Brändlin.