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Razzien gegen PKK in Türkei Erdogans riskantes Spiel mit den Kurden – das ist seine Strategie

Der Präsident will den Frieden mit der PKK und hält die Repression gegen die Kurden trotzdem aufrecht. Wie geht das auf?

Die jüngste Entwicklung: In der Türkei hat die Polizei in den letzten Tagen bei landesweiten Razzien über 280 Menschen festgenommen. Das Innenministerium wirft ihnen Verbindungen zur verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK vor. Gemäss Opposition sind unter den festgenommenen Personen unter anderem Mitglieder der legalen Kurdenpartei DEM und von kleineren Linksparteien sowie Journalistinnen, Künstler und ein LGBT-Aktivist. «Betroffen sind durchwegs Leute, die der Regierung zumindest skeptisch gegenüberstehen und der Regierung suspekt sind», erklärt Thomas Seibert, freier Journalist in Istanbul.

Das politische Umfeld mit der PKK: Die Repressionswelle der türkischen Regierung ist bereits seit mehreren Wochen im Gang. So hat die Polizei in verschiedenen Teilen des Landes Bürgermeister aus ihren Ämtern entfernt, wegen angeblicher Verbindungen zu Terroristen. All dies spielt sich in einer Zeit ab, in der die Türkei auf einen Aufruf des seit 1999 inhaftierten PKK-Chefs Abdullah Öcalan zur Beendigung des bewaffneten Kampfes gegen den türkischen Staat wartet. Die Gespräche zwischen Öcalan, dem türkischen Geheimdienst und Kurdenpolitikern laufen seit Monaten. Gemäss der Kurdenpartei DEM könnte der Aufruf noch vor Ende Februar erfolgen. Der Aufruf würde laut Seibert eine historische Zäsur bedeuten und könnte einen mehr als 40 Jahre dauernden Krieg mit über 50'000 Toten beenden.

Die ambivalente Taktik des Präsidenten: «Die Razzien und die Aussichten auf einen Frieden mit der PKK passen für Erdogan irgendwie zusammen», sagt Seibert. So strebe dieser eine Beilegung des Kurdenkonflikts an und wolle den von ihm im letzten Herbst bewilligten Prozess voll kontrollieren. Entsprechend ist er auch dran, sich gegen die Rechtsnationalisten im Land abzusichern, die der PKK generell misstrauen. Gleichzeitig bereitet Erdogan seine erneute Wiederwahl in drei Jahren vor. Dazu bräuchte er aber eine Verfassungsänderung und für eine solche wäre er auf mittlere Sicht auch auf die kurdischen Stimmen im Parlament angewiesen.

Die Aussichten: Ob Erdogan mit seiner Strategie Erfolg hat, hängt laut Seibert davon ab, ob der von vielen Kurden verehrte Öcalan den Friedensprozess stützt. Zurzeit setzt er darauf, dass sie nicht aus dem Verhandlungsprozess aussteigen. Sie haben Öcalan mehrmals im Gefängnis besucht und betätigen sich als Botschaftsüberbringer von Öcalan und anderen wichtigen Akteuren. So waren sie kürzlich auch im Nordirak, um mit der dortigen Kurdenregierung zu sprechen. Sollte Präsident Erdogan jedoch zu weit gehen, könnte die Kurdenpartei abspringen und auch Erdogans Wiederwahlpläne gefährden. «Irgendwann wird er also den Kurden politische Angebote machen müssen. Die Repressionswelle dürfte enden, wenn sie für Erdogan nicht mehr von Nutzen ist», sagt Seibert.

SRF 4 News aktuell, 19.02.2025, 06:23 Uhr ; 

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