Zum Inhalt springen
Audio
Kasachstan: Volk sagt Ja zu erstem Atomkraftwerk
Aus Rendez-vous vom 07.10.2024. Bild: REUTERS/Pavel Mikheyev
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 47 Sekunden.

Referendum abgehalten Kasachen stimmen laut offiziellen Angaben für Atomenergie

Mehr als 70 Prozent sollen für den Bau eines AKWs gestimmt haben. Dabei sind die Vorbehalte gegen alles Nukleare gross.

Darum geht es: Bei einem Referendum haben die Kasachinnen und Kasachen dem Bau des ersten Atomkraftwerks des Landes mit offiziell 71 Prozent zugestimmt. Die Regierung von Präsident Kassym-Schomart Tokajew will mit dem Projekt die Stromversorgung sichern und klimaschädliche Kohlekraftwerke schrittweise abschaffen. Sie betont, eine zuverlässige Energieversorgung sei notwendig, um erneuerbare Quellen wie Solar- und Windenergie zu ergänzen. Da Kasachstan einer der weltgrössten Uranproduzenten ist, sei Kernenergie eine logische Wahl.

Stromproduktion vor allem aus Kohle

Box aufklappen Box zuklappen

Trotz bedeutender Erdgasreserven basiert die Stromversorgung Kasachstans derzeit hauptsächlich auf Kohlekraftwerken, ergänzt durch einige Wasserkraftwerke und den wachsenden Sektor erneuerbarer Energien. Zudem importiert das Land Strom – hauptsächlich aus Russland –, weil seine oft alten Anlagen Schwierigkeiten haben, die Nachfrage zu decken.

Errichtet werden soll das erste AKW des Landes für geschätzte zehn bis zwölf Milliarden Dollar in der Ortschaft Ulken am Ufer des Balkaschsees.

Brisanter Entscheid: In Kasachstans Steppe hatte die Sowjetunion über Jahre Hunderte Atomtests durchgeführt, weite Landstriche wurden nuklear verseucht. Ausserdem halfen Zehntausende Kasachen 1986 bei den Aufräumarbeiten nach der Atomkatastrophe in Tschernobyl und trugen lebenslange Gesundheitsprobleme davon. Beides trägt bei vielen Kasachen zu einem Misstrauen gegenüber jeglicher Nukleartechnik bei.

Durch Atomtests verseucht: Lange wussten die Menschen im Nordosten Kasachstans nicht, was auf dem «Schiessplatz» draussen in der Steppe vor sich ging. Der Grund für die regelmässigen Explosionen, die riesige Pilzwolken erzeugten, war in der UdSSR ein Staatsgeheimnis. Schon bald gab es in der Region mehr Leukämiekranke, mehr Kinder kamen mit Behinderungen zur Welt oder wurden tot geboren. Die Sowjets konnten die Atomtests und ihre Folgen nicht dauerhaft verbergen. In den 1980er-Jahren gelang es einer Bürgerbewegung, die Tests zu stoppen. Doch die Leute in der Region leiden bis heute unter den Spätfolgen.

Die Menschen in Kasachstan wollen Russland nicht die Kontrolle über die wichtigste Energiequelle im Land geben.
Autor: Calum MacKenzie Russlandkorrespondent von Radio SRF

Auftrag geht ins Ausland: Wer nun das AKW bauen wird, ist nach Aussagen Tokajews noch offen. Es ist aber ein offenes Geheimnis, dass der russische Rosatom-Konzern auf den Auftrag hofft. Bei seiner Stimmabgabe sagte der Präsident auf eine entsprechende Frage: «Meine persönliche Vision ist, dass es ein internationales Konsortium geben müsste, bestehend aus globalen Unternehmen, die über die fortschrittlichsten Technologien verfügen.» Als Gegengewicht zu Russland setzt Kasachstan seit längerem auch auf engere Beziehungen etwa zu Europa.

Das sagt SRF-Russlandkorrespondent MacKenzie zum Referendum:

Box aufklappen Box zuklappen
Legende: Präsident Kassym-Schomart Tokajew. Imago/Sergei Savostyanov

«Kasachstans Präsident Tokajew gibt sich eigentlich als Reformer und will sich distanzieren von seinem Vorgänger Nursultan Nasarbajew, der Kasachstan 30 Jahre lang sehr autokratisch regiert hat. Tokajew spricht davon, dass Kasachstan ein «Staat, der zuhört» werden soll. Dass man das Volk zum AKW-Bau befragt, soll diese Haltung unterstreichen. Aber das Abstimmungsresultat ist mit über 71 Prozent Zustimmung wirklich verdächtig deutlich im Sinne der Regierung. Es sieht also eher danach aus, als würde in Kasachstan alles beim Alten bleiben. Für viele Kasachinnen und Kasachen wird das eine Enttäuschung sein.»

Skeptisch gegenüber Russland: Kasachstan arbeitet wirtschaftlich eng mit Russland zusammen und exportiert beispielsweise viel Uran dorthin. «Deshalb ist es nicht grundsätzlich unvernünftig, für das AKW mit Russland zusammenzuarbeiten», so SRF-Russlandkorrespondent Calum MacKenzie. Aber viele Kasachinnen und Kasachen seien insbesondere seit dem Krieg in der Ukraine sehr misstrauisch gegenüber dem grossen Nachbarn. Deshalb seien sie besorgt, dass allenfalls Rosatom das AKW bauen könnte. Denn: «Die Menschen in Kasachstan wollen Russland nicht die Kontrolle über die wichtigste Energiequelle im Land geben.»

Audio
Archiv: Das Trauma der Atomtests prägt Kasachstan bis heute
aus International vom 11.11.2023. Bild: Calum MacKenzie
abspielen. Laufzeit 27 Minuten 13 Sekunden.

Rendez-vous, 7.10.2024, 12:30 Uhr ; 

Jederzeit top informiert!
Erhalten Sie alle News-Highlights direkt per Browser-Push und bleiben Sie immer auf dem Laufenden.
Schliessen

Jederzeit top informiert!

Erhalten Sie alle News-Highlights direkt per Browser-Push und bleiben Sie immer auf dem Laufenden. Mehr

Push-Benachrichtigungen sind kurze Hinweise auf Ihrem Bildschirm mit den wichtigsten Nachrichten - unabhängig davon, ob srf.ch gerade geöffnet ist oder nicht. Klicken Sie auf einen der Hinweise, so gelangen Sie zum entsprechenden Artikel. Sie können diese Mitteilungen jederzeit wieder deaktivieren. Weniger

Sie haben diesen Hinweis zur Aktivierung von Browser-Push-Mitteilungen bereits mehrfach ausgeblendet. Wollen Sie diesen Hinweis permanent ausblenden oder in einigen Wochen nochmals daran erinnert werden?

Meistgelesene Artikel