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Reform UK in Umfrage vorn Der unaufhaltsame Aufstieg des Herrn Farage

Lange schien das Vereinigte Königreich mit seiner Mitte-Links-Regierung, trotz allen politischen Verwerfungen auf dem europäischen Festland, eine Insel der Stabilität zu bleiben. Doch diese erodiert immer mehr. In Umfragen überholt die rechtspopulistische Reform UK Party von Nigel Farage die konservative Partei und insbesondere auch die regierende Labour Partei.

Den rasanten Aufstieg seiner Partei hat Nigel Farage nicht unwesentlich der neuen Labour-Regierung zu verdanken. Premierminister Keir Starmer macht den Eindruck, als habe er in seinem Amt immer noch nicht richtig Tritt gefasst. Und noch weniger ist es ihm gelungen, seine Wahlkampfversprechen in Taten zu übersetzen.

Einwanderungspolitik als Kerngeschäft der Reform-Partei

In den Spitälern liegen die Patienten immer noch auf den Korridoren. Die Wirtschaft will nicht so wachsen, wie es die Schatzkanzlerin mit schneidender Stimme verordnet und die grüne Energiewende droht an ihren Widersprüchen zu scheitern. Sieben Monate nachdem Labour in Downing Street eingezogen ist, werden die Wählerinnen und Wähler zunehmend ungeduldig. Und von dieser Ungeduld profitiert die Reform-Partei. Insbesondere, was ihr Kerngeschäft betrifft: die Einwanderungspolitik.

Die Brexit-Befürworter versprachen den Britinnen und Briten, mit dem Austritt aus der Europäischen Union werde das Königreich endlich wieder die Kontrolle über seine Grenzen zurückgewinnen. Diese Verheissung hat sich bis heute nicht erfüllt. Fast täglich landen kleine Boote mit Migrantinnen und Migranten an der südenglischen Küste. Das ärgert viele Leute. Doch der Unmut wurde von Labour lange ignoriert oder gar schöngeredet. Nigel Farage dagegen bewirtschaftet diese Ressentiments so eloquent wie erfolgreich.

Keir Starmer versprach im Wahlkampf ein härteres Vorgehen gegen die Kriminellen, die Frauen, Kinder und Männer für viel Geld über den Ärmelkanal lotsen. Genützt hat es bis heute nicht allzu viel. Allein am vergangenen Wochenende sind gegen tausend Leute angelandet. Doch 99 Prozent der Neuankömmlinge, rund eine Million allein im vergangenen Jahr, kommen völlig regulär ins Vereinigte Königreich: als Arbeitskräfte, anerkannte Flüchtlinge oder Studierende.

Regierung unter Druck

Umfragen zeigen zudem, dass die Ansichten zur Einwanderungspolitik in der britischen Bevölkerung nicht immer konsistent sind: Man wünscht sich eine radikale Reduktion der Einwanderung. Als Pflegende, Reinigungskräfte, Bauarbeiter oder Erdbeerenpflücker sind Migrantinnen und Migranten aber durchaus willkommen. Kurz: für Arbeiten, die Britinnen und Briten nicht ausführen wollen.

Solche Widersprüchlichkeiten können die rechten Zentrifugalkräfte jedoch längst nicht austarieren. Die britische Parteienlandschaft ist längst unter Druck. Die konservative Oppositionschefin Kemi Badenoch schliesst zwar zur Stunde eine Zusammenarbeit mit der Reform UK kategorisch aus. Je nach Ausgang der kommenden Gemeindewahlen im Mai ist dieses Nein aber eher eine fluide Momentaufnahme als in Stein gemeisselt.  

Patrik Wülser

Grossbritannien-Korrespondent

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Patrik Wülser arbeitet seit Ende 2019 in London als Grossbritannien-Korrespondent für SRF. Wülser war von 2011 bis 2017 Afrika-Korrespondent und lebte mit seiner Familie in Nairobi. Danach war er Leiter der Auslandsredaktion von Radio SRF in Bern.

Rendez-vous, 12.2.2025, 12:30 Uhr

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