Die Unabhängigkeit des Vereinigten Königreichs trägt sie in ihrer DNA – die am rechten Rand positionierte, britische Partei Reform UK. Sie heisst bei ihrer Gründung 2018 «Brexit Partei», was viel aussagt über ihre Ausrichtung: Der Austritt aus der Europäischen Union ist ihr grosses Thema.
Nun, nach vollzogenem Austritt aus der EU, macht die national-konservative Partei mit neuem Namen weiter von sich reden. Reform UK will die Zuwanderung begrenzen, den Gesundheitssektor reformieren, indem sie das für Klimamassnahmen eingeplante Geld umleiten will, und sie verspricht günstigere Energiepreise und tiefere Steuern.
Rechtsaussen-Partei im Umfragehoch
Das populistische Programm kommt bei einer wachsenden Wählerschaft gut an. «Unsere Umfragewerte gehen steil nach oben», freut sich Parteichef Richard Tice vor Hunderten Parteigängerinnen und -gängern am Parteikongress Ende Februar.
«Während wir zulegen, verliert Rishi Sunaks Partei in den Umfragen», reibt sich Reform-UK-Parteichef Tice freudig die Hände: «Ich habe ihn deshalb umgetauft – in ‹Sinkender Sunak›.»
Abschottungsrhetorik zahlt sich aus – für die Protestpartei
«Bei auf dem Land lebenden, schlechter gebildeten Männern ist Reform UK bereits stärkste Partei», beobachtet Tony Travers. Er ist Politologe an der renommierten London School of Economics and Political Science.
Travers spricht von einer Vertrauenskrise, die die beiden grossen Parteien erfasst habe. «Ein grosser Teil der Bevölkerung denkt, dass die Politik nichts für sie tut. Und dass das westliche, liberale Politik-Modell weniger effizient ist als noch vor 20, 30 Jahren», analysiert Travers. «Das ist einer der Gründe für den Aufschwung von Reform UK.»
Die britische Wirtschaft stagniert, die Inflation bleibt hoch, befeuert durch die hohen Energiepreise. Hinzu kommen die internationalen Spannungen, die Abschottungstendenzen in der Bevölkerung verstärken würden, so Travers.
Rishi Sunak schwenkt nach rechts
Der konservative Regierungschef Rishi Sunak hat die Gefahr längst erkannt, die von Reform UK für seine Partei ausgeht. Er setzt deshalb auf dieselben Themen: die illegale sowie legale Zuwanderung drosseln, kürzere Wartezeiten im Gesundheitswesen und tiefere Steuern.
Sunaks Schwenker nach rechts – gerade in der Zuwanderungsfrage – ist aus Sicht des Politologen riskant: «Die Konservativen drohen damit die moderate Mitte-Wählerschaft im Süden Englands zu verlieren.»
Labour als lachende Dritte
Wenn sich das konservative Lager spalte, verhelfe dies Labour zum Wahlsieg, warnte die konservative Tageszeitung, The Telegraph, schon im Januar: «Reform UK wird Labour zu einer riesigen Mehrheit verhelfen.»
Wenn Reform UK in allen Wahlkreisen einen Kandidaten oder eine Kandidatin aufstelle, zog «The Telegraph» den Schluss aus einer YouGov-Umfrage, «dann wird Labour eine 120-Sitze-Mehrheit gewinnen».
Für Reform UK lägen bei 13 bis 15 Prozent Wähleranteil zwei bis drei der 650 Sitze im britischen Unterhaus drin, schätzt Politologe Travers. «Das britische Wahlsystem begünstigt die Wahlsiegerin. Parteien mit weniger als 20 Prozent Wähleranteil gehen praktisch leer aus.»