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Senatspräsident Italiens zeigt Nähe zum Faschismus
Aus Echo der Zeit vom 13.10.2022. Bild: Keystone
abspielen. Laufzeit 6 Minuten 14 Sekunden.

Regierungsbildung in Italien Ein Postfaschist wird italienischer Senatspräsident

Ignazio La Russa übernimmt das zweithöchste Amt des Landes. Die denkwürdige Sitzung wurde von einer Holocaust-Überlebenden geleitet.

Wer ist Ignazio La Russa? La Russa ist nun der Chef des italienischen Senats und hat damit das zweithöchste Amt in Italien übernommen – nach dem Staatspräsidenten. La Russa ist Mitglied der rechtsradikalen Fratelli d’Italia, die auch die Ministerpräsidentin Giorgia Meloni stellen wird. Sein voller Name passt zu seiner Gesinnung: Ignazio Benito Maria La Russa.

Er hat Jahrgang 1947. Matthias Rüb, Italien-Korrespondent der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung», erklärt: «Daran, dass er zwei Jahre nach Ende des faschistischen Regimes noch Benito (nach dem ital. Diktator Benito Mussolini, Anm. der Red.) getauft wurde, kann man erkennen, dass es eine Tradition gibt, die den völligen Bruch mit dem faschistischen Regime nicht vollzogen hat.»

Ignazio La Russa mit einem Schnäuzchen
Legende: Ignazio La Russa wurde zum Präsidenten des italienischen Senats gewählt. KEYSTONE/AP Photo/Plinio Lepri

Wie kann ein Postfaschist zweitmächtigster Mann Italiens werden? Korrespondent Rüb sagt dazu: «Anders als in Deutschland gab es in Italien keine gründliche Aufarbeitung der faschistischen Diktatur.» Der Ventennio Fascista – dt. die zwei Jahrzehnte des Faschismus – werde von vielen Italienerinnen und Italienern noch etwas nostalgisch betrachtet.

Anders als in Deutschland gab es in Italien keine gründliche Aufarbeitung der faschistischen Diktatur.
Autor: Matthias Rüb Italien-Korrespondent der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung»

Dabei werde oft auf folgende Punkte verwiesen: Die Züge seien pünktlich, die Strassen nicht verschmutzt gewesen, Mussolini habe die allgemeine Rentenversicherung eingeführt und die Pontinischen Sümpfe trockengelegt. Rüb bezeichnet dies als «historische Lügen», denn «alle diese Ansätze gab es schon vor Mussolini», so der Korrespondent. Mussolini habe diese Projekte lediglich weitergeführt.

Italien hat doch eine ausdrücklich antifaschistische Verfassung? Die Gerichte hätten selten durchgesetzt, dass die Rechtfertigung des Faschismus unter Strafe gestellt werde, sagt der Korrespondent. «Die Gerichte haben genauso wie die Politik ein bisschen dafür gesorgt, dass die Neofaschisten nicht isoliert, sondern integriert wurden.»

Die 92- jährige Liliana Segre eröffnet die Sitzung im italiensichen Parlament.
Legende: Die 92- jährige Liliana Segre eröffnete die Sitzung im italienischen Parlament. Imago/ANSA/ALESSANDRO DI MEO ROMA

Wieso hat eine Überlebende des Holocaust die Sitzung des Senats geleitet? Liliana Segre ist Senatorin auf Lebenszeit. Sie hat als einzige ihrer Familie das KZ Auschwitz überlebt. Segre ist 92 Jahre alt und hat als älteste Parlamentarierin die Sitzung geleitet. Sie richtete dabei einen emotionalen Appell an ihre Kollegen, sich gegen Hass und Ausgrenzung auszusprechen. Segre bekam von dem Plenum mehrmals stehenden Applaus. «Sie hat klar daran erinnert, welchen Kampf die Demokratie gegen den Faschismus führen musste, um sich zu stabilisieren», hält Rüb fest.

Wieso hat die Forza Italia La Russa nicht gewählt? Giorgia Meloni habe mit ihrer Partei die zwei politischen Alphatiere – Silvio Berlusconi von der Forza Italia und Matteo Salvini von der Lega – zusammengestutzt, sagt Rüb. Die beiden mussten sich nun einer Frau unterwerfen. Beide rechneten aber damit, dass sie weiterhin viel Einfluss haben werden. Sie spekulieren auf wichtige Posten im Kabinett.

SRF 4 News, 13.10.2022, 18 Uhr ; 

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