- Italiens Staatspräsident Sergio Mattarella hat nach dem Rücktritt von Regierungschef Mario Draghi die Auflösung der beiden Parlamentskammern verfügt.
- Er habe ein entsprechendes Dekret unterschrieben, sagte Mattarella in Rom.
- Damit ist klar: Italien wird früher als geplant ein neues Parlament wählen. Die vorgezogenen Parlamentswahlen sollen offenbar am 25. September stattfinden.
- Mario Draghi hatte bei der Vertrauensabstimmung im Senat am Vorabend die von ihm gewünschte breite Zustimmung deutlich verfehlt.
Eigentlich hätten die Wahlen erst im Frühjahr 2023 angestanden. «Das Auflösen der Parlamentskammer ist immer die letzte Wahl», sagte Mattarella. Die politische Situation habe zu dieser Entscheidung geführt.
Auf die Menschen in Italien kommen daher mitten in der Ferienzeit wohl unruhige Wahlkampfwochen zu. Der Urnengang muss binnen 70 Tagen vollzogen sein. Als Datum wurde in Regierungskreisen der 25. September genannt. Das ist der letzte Sonntag vor Ende der Frist.
Draghis Regierung bleibt so lange im Amt, bis es einen neuen Ministerpräsidenten gibt. Wann das sein wird, ist unklar.
Die Koalitionsverhandlungen könnten sich je nach Wahlausgang hinziehen. Experten zufolge könnte möglicherweise erst Anfang November eine neue Regierung an der Macht sein.
Rechtsextreme Fratelli d'Italia vorne
Jüngsten Umfragen zufolge lägen die rechtsextremen Fratelli d'Italia unter Parteichefin Giorgia Meloni derzeit vorne. Zusammen mit den grossen Mitte-Rechts-Parteien Forza Italia von Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi und der rechten Lega von Matteo Salvini wäre unter Umständen eine Mehrheit im Parlament möglich.
Unter anderem für die Migrationspolitik und auch für die Beziehungen zur EU wäre eine solche Regierung wohl problematisch.
Draghi hatte Vertrauensvotum zwar gewonnen, aber Ziel verfehlt
Der Schritt Mattarellas hatte sich kurz zuvor bereits mit der Einbestellung der beiden Parlamentspräsidenten Maria Elisabetta Casellati (Senat) und Robert Fico (Abgeordnetenkammer) angekündigt, da er sie auf Grundlage des Artikels 88 der Verfassung einberief, in dem es um die Auflösung der beiden Kammern geht. Zuvor bot Draghi dem 80 Jahre alten Sizilianer Mattarella seinen Rücktritt an.
Für Draghi ist klar, dass seine Regierung vor dem Ende steht. Drei seiner Regierungsparteien sprachen ihm am Mittwoch im Senat nicht das Vertrauen aus und nahmen nicht an dem Votum teil. Der 74-jährige Römer verfehlte damit sein gefordertes Ziel einer breiten Parlamentsmehrheit – obwohl er das Vertrauensvotum eigentlich gewann.
Erster Rücktritt nicht angenommen
Bereits eine Woche zuvor wollte er schon zurücktreten, als die linkspopulistische Fünf-Sterne-Bewegung im ebenfalls im Senat nicht das Vertrauen aussprach. Damals lehnte Mattarella dies jedoch noch ab und schickte Draghi zum Berichterstatten ins Parlament – es war quasi der Versuch, seine Regierung doch noch am Leben zu erhalten.
Das politische Rom ist seither zerstritten, die Parteien beschuldigen sich gegenseitig, Schuld am Fall von Draghis Kabinett und der Eskalation der Regierungskrise Krise gewesen zu sein. Politisch dürfte es für Draghi jetzt noch schwieriger werden, wichtige von der EU vorgegebene Reformen, die eigentlich anstünden, im Parlament durchzusetzen. Das Land muss diese umsetzen, um die milliardenschweren Corona-Wiederaufbau-Gelder aus Brüssel zu bekommen.
Draghi galt auch im Ausland als Stabilitätsgarant für das sonst mitunter turbulent regierte Italien. Er machte das Land mit fast 60 Millionen Einwohnern wieder auf der internationalen Bühne sichtbar, reiste etwa mit Bundeskanzler Olaf Scholz und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron nach Kiew. Ökonomisch steht für Italien damit einiges auf dem Spiel.