Die rechtskonservative PiS wurde in Polen beauftragt, eine Regierung zu bilden. Im Parlament dürfte der bisherigen Regierungspartei die Bildung einer Koalition schwerfallen. Osteuropa-Korrespondent Roman Fillinger ordnet die Auswirkungen ein.
SRF News: Welche Folgen hat der Entscheid, Mateusz Morawiecki mit der Regierungsbildung zu beauftragen?
Roman Fillinger: Die Folge dürfte vor allem eine Zeitverschwendung sein. Die nächsten Wochen wird Polen in einer Art politischen Zwischenwelt leben. In einer Welt, in der die bisherige Regierung zwar weitermacht, aber eigentlich nichts mehr entscheiden kann. Diese Zeit könnte die neue Regierung nutzen. Beispielsweise, um die Dutzenden Milliarden Euro freizubekommen, welche die EU eingefroren hat. Stattdessen werden jetzt die Nationalkonservativen so tun, als würden sie versuchen, eine Regierung zu bilden. Dabei wissen alle, dieses Vorhaben hat praktisch keine Chance.
In ein paar Wochen dürften wohl die Oppositionsparteien zum Zug kommen, eine Regierung zu bilden. Mit Andrzej Duda hat Polen allerdings einen Präsidenten aus dem PiS-Lager. Wie schwierig wird diese Zusammenarbeit?
Diese Zusammenarbeit dürfte schwierig werden. Andrzej Duda politisiert meist stramm auf Linie der Nationalkonservativen. Er besitzt zudem ein Vetorecht, das die künftige Regierungskoalition kaum überstimmen kann, da ihr die Anzahl der Sitze im Parlament fehlt. Dennoch hat der Präsident auch eine Geste der Versöhnung gemacht. Er hat einen Vertreter der heutigen Opposition zum Sprecher der grossen Parlamentskammer bestimmt. Dieser Sprecher kann verhindern, dass die Nationalkonservativen den Prozess der Regierungsbildung mit faulen Tricks in die Länge ziehen.
Die Nationalkonservativen haben sich tief im polnischen Staatsgefüge festgesetzt.
Die PiS war in den letzten acht Jahren in Polen an der Macht und hat sich Einfluss verschafft. Inwiefern werden das die Oppositionsparteien beim Machtwechsel zu spüren bekommen?
Die Nationalkonservativen haben sich tief im polnischen Staatsgefüge festgesetzt. Sie haben bis in tiefe Chargen hinunter Posten nach politischen Kriterien besetzt. Besonders gravierend ist das in der Justiz. Zum Beispiel ist das Verfassungsgericht unter Kontrolle von Richterinnen und Richtern, die den Nationalkonservativen nahe sind, die von ihnen mit fragwürdigen Methoden eingesetzt wurden. Diese Personen sind noch für Jahre gewählt. Wie die Gerichte Polens entpolitisiert werden können, wird eine zentrale Herausforderung für die neue Regierung.
Die Koalition gegen die PiS, die reicht von ganz weit links bis zu katholisch konservativ. Das ist so breit, da sind weitere Spannungen programmiert.
Die Oppositionsparteien bilden eine breite Koalition. Bislang galt das Motto: wir gegen die PiS. Das haben sie geschafft, werden sie sich auch in anderen Punkten einig?
Das «Wir gegen die Nationalkonservativen» war die einzige starke Klammer um diese Koalition. Erste Risse zeigen sich auch bereits, zum Beispiel in der Abtreibungsfrage. Die meisten in der heutigen Opposition und wahrscheinlichen künftigen Regierungsmehrheit wollen das fast vollständige Abtreibungsverbot durch eine Fristenlösung ersetzen. Dabei gibt es aber auch Gegenstimmen, die zunächst ein Referendum abhalten wollen. Die Koalition gegen die PiS, die reicht von ganz weit links bis zu katholisch konservativ. Das ist so breit, da sind weitere Spannungen programmiert.
Das Gespräch führte Silvan Zemp.