Die Menschen in Irak hatten in den letzten Jahrzehnten mit vielen Problemen zu kämpfen – doch einen Whisky, ein Bier oder eine Flasche Rotwein zu kaufen, war bisher nie eines. Gerade in der irakischen Hauptstadt Bagdad findet man praktisch in jeder Strasse ein Spirituosengeschäft.
So wie jenes von Dani Maseh. Sein Geschäft erinnert an eine Garage: vorne ein Rolladen, dahinter ein langer, fensterloser Korridor. In den Regalen entlang den Wänden reihen sich die Flaschen und Dosen aneinander. Ein Kunde kauft drei Dosen Bier, viel geredet wird dabei nicht. Maseh packt die Biere in einen schwarzen Plastiksack.
Alkohol viel teurer geworden
Der Preis für ein Bier habe sich in den letzten Wochen fast verdreifacht, klagt er. Dementsprechend bleiben viele seiner Kunden fern. Der Grund für diesen rasanten Preisanstieg sei das Alkoholverbot, welches vor wenigen Wochen umgesetzt wurde, klagt Maseh.
Der Import von ausländischem Alkohol wurde umgehend gestoppt, und eigentlich müsste auch Maseh sein Geschäft schliessen. Doch er denkt nicht dran: «Das Gesetz ist unverhältnismässig und zielt auf die Christen im Land ab», sagt er.
Wenn nötig, werden wir beim Papst in Rom intervenieren.
Wie er sind die meisten Alkoholverkäufer in Irak Christen oder Jesiden. «Wir werden uns wehren – und wenn nötig sogar beim Papst in Rom intervenieren», droht der Alkoholhändler.
Irans Einfluss wird immer spürbarer
Maseh ist nicht der Einzige, der im Alkoholverbot einen Angriff auf die Minderheiten im Irak sieht. Auch christliche Politiker lehnen sich gegen das Verbot auf. Es sei verfassungswidrig, sagt etwa der frühere Parlamentarier Joseph Sliwa. Irak als pluralistischer Staat, der religiöse und ethnische Minderheiten respektiere, sei durch ein solches Gesetz gefährdet.
«Wird dieses Gesetz tatsächlich durchgesetzt, würde das bedeuten, dass Irak immer mehr zu einem islamischen Staat wird – wie das Nachbarland Iran», so Sliwa. Ohnehin habe Teheran seit den letzten Wahlen im Oktober 2021 an Einfluss in Irak gewonnen.
In der Tat wird der irakischen Regierung nachgesagt, dass sie unter dem Einfluss Irans stehe. «Das könnte ein Grund sein, warum das Gesetz jetzt vom Präsidenten unterschrieben wurde», spekuliert Sliwa.
Kampf gegen «unmoralische Inhalte» im Web
Das Alkoholverkaufsverbot ist nicht das einzige Gesetz, das in jüngster Zeit einen radikaleren Kurs in Irak erkennbar macht: Seit Januar fahndet das Innenministerium nach sogenannt unmoralischen oder unanständigen Inhalten im Internet. Es hat dafür eine Webseite eingerichtet, auf der jede und jeder Inhalte melden kann, die nicht den Regeln des Anstandes entsprechen.
Da sind Extremisten am Werk, deren Ziel es ist, die persönlichen Freiheiten einzuschränken.
Dass dies viel Raum für Interpretation offen lässt, sei gewollt, meint Sliwa: «Da sind Extremisten am Werk, deren Ziel es ist, die persönlichen Freiheiten einzuschränken», sagt der frühere Parlamentarier.
Zehntausende Beanstandungen seien bereits bei den Behörden eingegangen, gegen 14 Musiker, Komödianten und Blogger laufen im Moment Ermittlungen, sechs Personen wurden bisher verhaftet.
Das Oberste Gericht muss entscheiden
Das Alkoholverbot ist jetzt zwar vom Präsidenten durchgewinkt worden, ist jedoch noch nicht rechtskräftig. Denn noch ist eine Klage beim Obersten Gericht hängig. Deshalb bleiben die Alkoholgeschäfte wie jenes von Dani Maseh vorderhand offen. Er will seinen Laden erst schliessen, wenn ihn die Polizei dazu zwingt. Wann das Gericht über das Alkoholverbot entscheidet, ist offen.