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Russland und Finnland: Besondere Nachbarn
Aus Echo der Zeit vom 29.12.2021. Bild: zVg
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Russisch-finnische Beziehungen Helsinkis Gratwanderung zwischen Ost und West

Der Westen und Russland tun sich schwer miteinander. Dabei macht Finnland vor, wie es sich trotz EU-Einbindung, Nato-Annäherung und gemeinsamer Grenze gut leben lässt.

Die mächtige Uspenski-Kathedrale im Herzen der finnischen Hauptstadt Helsinki steht für die ganz besondere Nähe und Ferne Finnlands zu seinem mächtigen Nachbarn im Osten – zu Russland.

Die orthodoxe Backsteinkirche mit 13 vergoldeten Kuppeln erinnert an die bis 1917 andauernde russische Herrschaft über Finnland, aber auch an die seither konsequent verfolgte Unabhängigkeit Helsinkis.

Helsinki vom Wasser her, im Hintergrund die Kathedrale
Legende: Helsinki liegt am Meer. Vom Hafen aus sieht man die grosse Uspenski-Kathedrale. SRF/Bruno Kaufmann

Laut Tanja Jääskelainen, der stellvertretenden Generalsekretärin im finnischen Aussenministerium, spiegelt sich das besondere Verhältnis Finnlands zu Russland nicht zuletzt in der Beziehung der beiden Staatspräsidenten wider: «Unser Präsident hat ein vertrauliches Verhältnis zum russischen Amtskollegen Putin.»

Die Sauna, der friedensfördernde Schwitzkasten

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Legende: Zwei finnische Grenzwächter vor dem Grenzübergang östlich von Kuusamo. SRF/Bruno Kaufmann

Finnen und Russen teilen die Vorliebe für Saunas. Das hilft in der hohen Politik ebenso wie bei der Lösung täglicher Grenzprobleme. Den Anfang machte nach den geschlagenen Schlachten zwischen Finnland und Russland Mitte des letzten Jahrhunderts Präsident Urho Kekkonen.

1956 zum finnischen Staatsoberhaupt gewählt, nahm er seine sowjetischen Amtskollegen Chruschtschow und später Breschnew bei Besuchen buchstäblich in den Schwitzkasten – und rang ihnen dabei wiederholt Zugeständnisse ab. Die Saunadiplomatie gehört seither zum festen Bestandteil der finnisch-russischen Beziehungen. Aber auch im praktischen Austausch zwischen den ungleichen Nachbarn spielt der gemeinsame Saunagang bis heute eine Rolle, etwa im Anschluss an gemeinsame Kontrollgänge finnischer und russischer Beamten entlang der über 1300 Kilometer langen Grenze.

Ähnlich wie kürzlich an der belarussisch-polnischen Grenze erlaubte Moskau vor sechs Jahren Flüchtlingen aus Konfliktregionen im Nahen Osten die Zufahrt zu Grenzposten in Nordfinnland: Nach einem Telefonat des finnischen mit dem russischen Präsidenten wurde der Grenzstreifen von russischer Seite her für Menschen ohne Visum in Richtung Westen jedoch wieder geschlossen.

Dieses Jahr ist es entlang der Grenze bei Kortesalmi 50 Kilometer östlich von Kuusamo erst zu zwei illegalen Grenzübertritten gekommen, erklärt der Chef des örtlichen Grenzdistriktes Jyrki Säkkinen: «Vor wenigen Wochen überschritten Touristen aus Belgien und den Niederlanden die grüne Grenze nach Russland, kehrten aber wieder zurück und erhielten von uns eine Busse.»

Dies bedeute, dass Finnland gegenüber Russland ehrlich auftreten könne und den grossen Nachbarn nicht mit Samthandschuhen anfassen müsse. Mit anderen Worten: Im Verhältnis zu Russland setzt Helsinki sowohl Zuckerbrot wie auch Peitsche ein. Das zeigt sich nicht zuletzt an der gut bewachten gemeinsamen Grenze.

Gemeinsame und wechselvolle Geschichte

Finnland, das zwischen 1808 und 1917 unter der Kontrolle der russischen Zaren war, erklärte seine Unabhängigkeit wenige Tage nach Ausbruch der russischen Oktoberrevolution im Herbst 1917.

Nach einem blutigen Bürgerkrieg 1918 sowie zwei Verteidigungskriegen gegen die Sowjetunion Ende der 1930-er und Mitte der 1940-er Jahre, schloss das Land im Jahr 1944 Frieden mit Moskau. Dieser verpflichtete Finnland zur Neutralität und verunmöglichte eine Annäherung an die Europäische Gemeinschaft.

Blick aus dem Fahrzeug der Grenzbeamten Richtung Grenzzaun
Legende: Es gibt nur wenige illegale Grenzübertritte zwischen Finnland und Russland. SRF/Bruno Kaufmann

Diese erfolgte dann jedoch nach der Auflösung der Sowjetunion in Form des finnischen EU-Beitrittes im Jahre 1995. Diese klare Verankerung im Westen hatte, so Jääskelainen, Konsequenzen für die Rolle Finnland gegenüber Russland: «Wir bezeichnen uns nicht mehr als neutralen Staat, aber als Staat ohne Mitgliedschaft in einer Militärallianz», betont sie – ohne zu verschweigen, dass ihr Land dem westlichen Verteidigungsbündnis heute sehr nahestehe.

Finnland setzt auch auf US-Kampfjet

Dazu passt, dass die finnische Regierung kurz vor Weihnachten den Kauf von 64 Exemplaren des US-amerikanischen Kampfjets F35 beschlossen hat; also des gleichen Kampfjettyps, wie ihn der Bundesrat auch für die Schweiz vorgeschlagen hat.

Aus Sicht des finnischen Sicherheitsexperten Rasmus Hindren ist der F35-Kaufentscheid ein gutes Beispiel für die finnische Gratwanderung zwischen Ost und West: «Aus historischen, geografischen und politischen Gründen verfolgt Finnland die Anbindung an den Westen, ohne gleich der Nato als Mitglied beizutreten», sagt Hindren, der das neue europäische Zentrum zur Bekämpfung hybrider Bedrohungen (Hybridcoe) in Helsinki leitet.

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Russisch-finnische Flüchtlingskrise im Rückblick
aus Rendez-vous vom 30.12.2021. Bild: Keystone
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Finnland will gut gerüstet sein gegen russische Bedrohungen, sowohl gegen traditionell militärische als auch gegen hybride. Gleichzeitig verfolgt die finnische Regierung in Helsinki eine Politik des Dialogs mit dem Nachbarland – politisch und wirtschaftlich.

Echo der Zeit, 29.12.2021, 18:00 Uhr

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