Der russische Oppositionelle Alexej Nawalny ist ein charismatischer Politiker – einer mit Ausstrahlung und Machtbewusstsein. Seine politische Bewegung war deswegen stets ganz auf ihn fokussiert. Doch nun sitzt er in Haft, verurteilt zu über zehn Jahren Haft.
Nawalny ist 24 Stunden in einer Strafzelle. Dort hat es nur ein Tischchen und einen kleinen Stuhl. Das Klappbett darf er nur zwischen 21 und 5 Uhr benutzen.
«Wir haben nahezu keinen Kontakt zu Alexej Nawalny. Er kann nur Briefe schreiben, die aber durch die Zensur müssen», sagt Leonid Wolkow. Er ist einer der engsten Vertrauten Nawalnys. Inzwischen lebt er im Exil in Litauen und versucht von dort aus, die Arbeit der Nawalny-Truppe zu koordinieren.
Folterähnliche Haftbedingungen
Die Haftbedingungen seines Chefs seien Folter, sagt Wolkow. «Er ist 24 Stunden in einer Strafzelle. Dort hat es nur ein Tischchen und einen kleinen Stuhl, zudem ein Klappbett, das er zwischen 21 und 5 Uhr benutzen darf.»
Nawalny erhalte nur während 35 Minuten pro Tag einen Kugelschreiber und Papier. Dies sei eine weitere Schikane, die dem russischen Oppositionsführer die Kommunikation mit der Aussenwelt erschwert.
Dennoch, sagt Wolkow, funktioniere die politische Arbeit weiter. Denn Nawalny sei schon immer der Ideologe der Organisation gewesen, nicht deren Manager. Nawalny habe die strategischen Entscheide gefällt, umgesetzt hätten die Strategie dann andere. Deshalb funktioniere Nawalnys Strategie auch ohne ihn.
Auf das Ende Putins hinarbeiten
Russland sei ein kleines Land, scherzt Wolkow. Da habe es keinen Platz für beide – Nawalny und Putin. Und solange Putin im Amt sei, werde Nawalny wohl in Haft bleiben. Immerhin: «Wir arbeiten darauf hin, dass Putins Amtszeit verkürzt wird», sagt Wolkow.
Mit auf Youtube veröffentlichten Nachrichtensendungen versuchen Nawalnys Leute, die öffentliche Meinung in Russland zu beeinflussen. In mehreren Sendungen pro Tag bringen sie aktuelle Neuigkeiten von der Front, berichten von Prozessen gegen Kriegsgegner in Russland oder über die Verbrechen der russischen Armee in der Ukraine. Es ist ein bunter Mix an News, Meinung und politischer Agitation.
Man produziere jeden Tag sechs bis acht Stunden Material und erreiche damit monatlich 15 Millionen Menschen in Russland, betont Wolkow. «Das ist sehr wichtig und einflussreich», zeigt er sich überzeugt. Allerdings: Insgesamt leben rund 140 Millionen Menschen in Russland.
Hoffen auf eine Niederlage Putins in der Ukraine
Nawalnys Leute verstehen sich neuerdings hauptsächlich als Medienorganisation. In Russland selber dürfen sie nicht mehr legal tätig sein, deswegen senden sie ihre Botschaften aus dem Ausland ins Land hinein.
Mit der Informationsoffensive soll in Russland die Unterstützung für den Krieg untergraben werden. Denn die russische Armee sei Teil der Gesellschaft, sagt Wolkow. Deshalb: «Die Möglichkeiten der Armee hängen davon ab, was die Menschen denken.»
Nach Putins Ende wird es ein Fenster der Möglichkeiten geben – für Zivilgesellschaft und politische Opposition.
Man arbeite darauf hin, dass Putin den Krieg in der Ukraine verliere, betont Wolkow. Denn in diesem Fall verliere Putin seine Macht. «Dann wird es zwar turbulent – aber es wird auch ein Fenster der Möglichkeiten geben für die Zivilgesellschaft und die politische Opposition», gibt sich der Nawalny-Vertraute überzeugt.
Ein Ende des Krieges, mehr Demokratie in Russland und Alexej Nawalny in Freiheit: Das tönt wie ein Traum – doch Leonid Wolkow, der Optimist, sagt, genau so werde es kommen.