Präsident Wladimir Putin hat es angedroht, jetzt hat es das russische Parlament, die Duma, beschlossen: Russland zieht seine Ratifizierung des internationalen Verbots von Atomtests zurück. Andere Abkommen im Nuklearbereich wurden schon zuvor aufgekündigt oder missachtet.
Übrig bleibt so gut wie nichts. Das jahrzehntelang mühsam aufgebaute System der atomaren Rüstungskontrolle liegt darnieder.
Kubakrise als Weckruf
Es gab eine Zeit, da standen sich die Supermächte USA und Sowjetunion spinnefeind gegenüber. Sie bedrohten einander und die Welt mit Tausenden von Atombomben, mit denen sich die Menschheit in die Steinzeit zurückbomben liesse. Doch nach der Kubakrise von 1962, als um ein Haar ein Atomkrieg ausgelöst worden wäre, gelangten sie zur Einsicht, dass die Gefahr zu gross geworden war und man sich selber Fesseln anlegen muss. Und vor allem: Transparenz schaffen und sich gegenseitig kontrollieren. Das ist das A und O, wenn es um Atombomben geht. Einzig Wissen und Berechenbarkeit schaffen ein Minimum an Vertrauen.
So wurden nach und nach nukleare Abrüstungsverträge ausgehandelt, mit kryptischen Namen: NPT, Start und später New Start, INF, ABM, CTBT. Die meisten gelten inzwischen nicht mehr oder existieren nur noch auf dem Papier. Nun zieht Russland seine Ratifizierung des CTBT-Abkommens zurück, das sämtliche Atomtests verbietet. Die USA haben übrigens diesen Vertrag zwar unterzeichnet, aber wegen des Widerstands im Senat gar nie ratifiziert.
Drohgebärde des Kremls
Russlands Schritt ist primär eine politische Drohgebärde. Er bedeutet nicht, dass Moskau gleich wieder Atomtests durchführen wird. Sie sind aus russischer Sicht unnötig. Die frühere Sowjetunion führte insgesamt 715 Tests durch. Mit den daraus gewonnenen Erkenntnissen lassen sich Atomwaffen heute auch mit Simulationen weiterentwickeln. Das einzige Land, das derzeit noch Atombomben testet, ist Nordkorea.
Übrig geblieben ist von der ganzen Rüstungskontrollarchitektur der Atomsperrvertrag. Seit Jahren wird immer wieder versucht, ihn zu stärken und auszuweiten. Praktisch ohne zählbaren Erfolg. Dank des Atomsperrvertrags liess sich zwar verhindern, dass heute gleich Dutzende von Ländern Atombomben besitzen – was zuvor zu befürchten war. Doch um den zweiten, ebenso wichtigen Teil dieses Vertrags, nämlich atomar abzurüsten, und zwar gegen Null, foutieren sich die Nuklearmächte seit Jahrzehnten nonchalant – derzeit erst recht.
Ein Scherbenhaufen
Daneben gibt es den noch jungen UNO-Atomverbotsvertrag. Bloss krankt der gewaltig daran, dass ihm bisher keine einzige Atommacht beigetreten ist. Er wird also nur von Ländern unterstützt, die ohnehin keine Nuklearwaffen haben. Triste Realität ist zudem: Derzeit finden nirgends Verhandlungen zwischen den Atommächten über Rüstungskontrolle und atomare Abrüstung statt. China, das rasch von einer relativ kleinen Atommacht zur atomaren Supermacht aufrüstet und ohne das daher neue Verträge gar nicht sinnvoll wären, ist nicht bereit, überhaupt darüber zu diskutieren, geschweige denn ernsthaft zu verhandeln.
Kurz: Die weltweite nukleare Rüstungskontrolle liegt in Trümmern. Ein Ausweg aus dem Trümmerfeld ist wegen der geopolitischen Spannungen nirgends in Sicht. Die Gefahr eines Atomkriegs ist, im Vergleich zur Zeit des Kalten Krieges, ganz gewiss nicht kleiner geworden. Doch anders als damals fehlt heute vielerorts die Einsicht, dass es so nicht weitergehen darf.