Worum geht es? In der Nacht auf den 26. September haben dänische und schwedische Behörden Lecks bei den russischen Pipelines Nord Stream 1 und 2 entdeckt. Dadurch entwich eine grosse Menge Methangas ins Meer. Auch weil die Röhren teilweise bis auf einer Länge von 250 Metern zerstört wurden, geht man davon aus, dass diese Röhren mutwillig zerstört worden sind. Die Pipelines sind seither unbenutzbar.
Was ist neu? Nach einer gross angelegten Recherche von ARD, SWR und «Die Zeit» konnten die deutschen Ermittlungsbehörden einen Durchbruch bei der Aufklärung des Anschlags erringen. So konnte weitgehend rekonstruiert werden, wie und wann der Sprengstoffanschlag vorbereitet wurde. Den Ermittlern ist es gelungen, das Boot zu identifizieren, das mutmasslich für diese Operation verwendet wurde.
Das Boot wurde von einer polnischen Firma gemietet, welches wiederum offenbar zwei Ukrainern gehört. Ausserdem sollen fünf Männer und eine Frau die Operation durchgeführt haben. Die Nationalität der Täterschaft ist nicht bekannt, es wurden gefälschte Pässe verwendet.
Wer steckt dahinter? Spuren führen in die Ukraine. Da der Sabotageakt eine aufwendige Aktion war, die viel Erfahrung und Detailkenntnisse benötigt, gehen Experten nicht von Laien aus. Nur staatliche Akteure kämen als Urheber infrage. Nach Informationen des Rechercheteams soll bereits kurz nach der Sabotage ein westlicher Geheimdienst einen Hinweis an europäische Partnerdienste übermittelt haben, wonach ein ukrainisches Kommando für die Zerstörung verantwortlich sei. Auch später soll es weitere geheime Hinweise gegeben haben, wonach eine pro-ukrainische Gruppe für die Lecks verantwortlich sein könnte.
Diese Angaben sind aber mit Vorsicht zu geniessen: Denn auch wenn Spuren in die Ukraine führen, wissen die Ermittler aktuell noch nicht, wer die mutmasslichen Täter beauftragt hat. Ausserdem schliessen Sicherheitskreise auch nicht aus, dass es sich um eine sogenannte False-Flag-Operation handeln könnte. Dabei werden bewusst Spuren gelegt, die auf einen Verursacher – in diesem Fall die Ukraine – deuten sollen. Die Ermittler haben allerdings keine Hinweise auf ein solches Szenario.
Was sagt die Ukraine dazu? Mikhailo Podoliak, ein hochrangiger Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski, hat mitgeteilt, Kiew sei «absolut nicht» in die letztjährigen Angriffe auf die Nord-Stream-Pipelines verwickelt. Man verfüge über keine Informationen zu den Vorgängen. In einer Stellungnahme an das Recherchekollektiv sagte Podoliak zudem, es gebe «keine Bestätigung dafür, dass ukrainische Beamte oder das Militär an dieser Operation teilgenommen haben oder Personen entsandt wurden, die in ihrem Namen handeln». Vielmehr sei denkbar, dass Russland dahinterstecke.
Was sagt der Westen? Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius sagte im Deutschlandfunk, man nehme die Rechercheergebnisse mit grossem Interesse zur Kenntnis. «Aber wir müssen jetzt mal abwarten, was sich davon wirklich bestätigt. Jetzt hypothetisch zu kommentieren, halte ich für nicht zielführend. Das muss geklärt werden.»
Auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sieht nach wie vor Klärungsbedarf in der Frage, wer für die Sprengung der Nord-Stream-Gaspipelines in der Ostsee verantwortlich ist. «Was wir wissen, ist, dass es einen Angriff auf die Nord-Stream-Pipelines gab. Aber wir haben nicht feststellen können, wer dahintersteckt.» Ermittlungen liefen noch. «Und ich denke, es ist richtig zu warten, bis diese abgeschlossen sind, bevor wir mehr darüber sagen, wer dahintersteckt.»