Alexander Lukaschenko ist seit 31 Jahren in Belarus an der Macht und darf sich auf 5 weitere Jahre freuen: Das Resultat war bereits im Vorhinein bekannt, das gaben selbst seine vermeintlichen Gegenkandidaten in der Präsidentschaftswahl zu.
Sie gingen sogar weiter und unterstützten den Bisherigen offen. Der Wahlslogan eines Kandidaten lautete «Nicht anstelle von Lukaschenko, sondern mit Lukaschenko!» All das bestärkt, was internationale Beobachter seit Jahren über Wahlen in Belarus sagen: Es ist eine Scheinwahl.
Entsprechend ist von einem Wahlkampf oder Begeisterung dafür wenig zu spüren. In zahlreichen Wahllokalen, wie etwa in der Mittelschule 109 im Südosten von Minsk, locken Konzerte belarussischer Schlagerstars sowie ein Buffet mit stark vergünstigten Lebensmitteln die Menschen an die Urne.
Wählen aus Gruppendruck
Ein zwar stetes, aber dünnes Rinnsal an Menschen schaut vorbei, um ihre Stimme abzugeben. Es sind vor allem ältere Leute. Darauf angesprochen, was ihre Wahl motiviert habe, haben viele keine Antwort: «Ich bin wählen gekommen, weil es alle anderen auch tun.» Wer in Belarus nicht freiwillig wählt, wird oft dazu genötigt: Seit Jahren werden Staatsangestellte am Arbeitsplatz und Studierende im Wohnheim unter Druck gesetzt, an den Wahlen teilzunehmen.
Das Schauspiel soll vor allem eines bewirken: Kein belarussischer Apparatschik, keine Oppositionelle, kein Kreml-Funktionär und keine EU-Abgeordneten sollen noch daran zweifeln, dass Alexander Lukaschenko wieder fest im Sattel sitzt. Nach den letzten Scheinwahlen im Jahr 2020 brachten die Proteste hunderttausender Belarussinnen und Belarussen das Regime ernsthaft in Bedrängnis.
Davon ist heute nichts mehr zu spüren: Lukaschenko hat mit Russlands Hilfe und mit systematischer Gewalt die Demokratiebewegung zerschlagen. 60'000 Menschen wurden festgenommen, noch viele mehr sind ausgewandert. Wer geblieben ist, lebt in konstanter Angst: Angst davor, beschattet, überwacht und abgehört zu werden, Angst vor einer willkürlichen Festnahme und der Folter, die folgt, wenn die Beamten regierungskritische Nachrichten im Mobiltelefon finden.
«Es ist wie in einem Aquarium zu leben, ohne Luft», sagt ein Demonstrant von 2020, der noch in Minsk lebt. «Ich versuche, nirgends aufzufallen, rede mit niemandem mehr über Politik.» Bis heute werden in Belarus Menschen verhaftet, die verdächtigt werden, vor bald 5 Jahren an den Protesten teilgenommen zu haben.
Die Angst vor Russland geht um
Doch die Hoffnung auf ein demokratisches Belarus, die so viele einst hegten, ist auch aus anderen Gründen verschwunden. Spätestens mit dem Grossangriff auf die Ukraine hat Russland bewiesen, dass es zu allem bereit ist, um seine Nachbarn unter Kontrolle zu halten. Wie die Ukraine sehen die Ideologen im Kreml Belarus als wenig mehr als russisches Land unter einem anderen Namen. Eine neue, offenere Regierung in Belarus, wie sie sich so viele Menschen wünschten, hätte Moskau nie akzeptiert.
Diese Erkenntnis spielt Lukaschenko in die Karten. Wäre er nicht gewesen, würden Zustände wie in der Ukraine herrschen, sagt er. Während er Russland als treusten Freund des Landes lobt, droht er seinem Volk mit dem Bild russischer Bomben. «Hauptsache, es gibt keinen Krieg», sagt eine Frau im Wahllokal in der Minsker Mittelschule 109, die den Bisherigen gewählt hat. So bleibt Belarus Lukaschenkos Geisel.