Seit heute können Italiens Schülerinnen und Schüler bis zur sechsten Klasse endlich wieder zur Schule – die Lehrerinnen und Lehrer sind geimpft. Weshalb das für das Land so wichtig ist, erklärt SRF-Korrespondent Franco Battel.
SRF News: Wie wichtig ist die landesweite Öffnung der Schulen für Italien?
Franco Battel: In vielen Regionen Italiens sind die Schulen seit einem Jahr praktisch durchgehend geschlossen – entsprechend wichtig ist es, dass sie jetzt wieder öffnen. Vor allem für Schülerinnen und Schüler mit Lernproblemen ist die Gefahr sehr gross, dauerhaft abgehängt zu werden, wenn sie ihre Lehrpersonen so lange nicht sehen.
Man hört auch, es sei wichtig, dass die Kinder wieder in den Schulen verpflegt werden. Weshalb ist das so wichtig?
Viele Schulen verfügen über Mensen, in denen sich die Schülerinnen und Schüler am Mittag verpflegen können. Vor allem ärmere Familien haben schon vor der Pandemie darauf gesetzt, dass ihre Kinder dort eine warme, nahrhafte Mahlzeit erhalten.
Bis zu 160'000 Kinder könnten während der Pandemie zu wenig zu essen bekommen haben.
Weil die Mensen nun aber geschlossen waren, könnten nach Schätzungen der Organisation «Save the Children» bis zu 160'000 Kinder in Italien während der Pandemie zu wenig zu essen bekommen haben.
Warum verfügt Mario Draghis Regierung die Schulöffnungen gerade jetzt?
In seiner Regierungserklärung sagte er, er wolle viel in die Bildung und Berufsbildung investieren. Jetzt hält er Wort. Bevor also Bars und Restaurants wieder geöffnet werden, sollen die Schulen in Betrieb gehen. Das ist ein wichtiges Bekenntnis zur Bildung in Italien. Ob es funktioniert, wird sich zeigen. Denn dazu müssen die Distanzregeln eingehalten werden und die Schulen müssen genügend gegen das Coronavirus testen können.
War das letzte Jahr quasi ein verlorenes Jahr für Italiens Schulkinder?
Nicht für alle. Mancherorts haben sich die Lehrerinnen und Lehrer viel einfallen lassen, um die Schüler zu unterstützen. So wurde da und dort der Unterricht ins Freie verlegt.
Italien wird womöglich noch jahrelang mit den Lerndefiziten zu kämpfen haben.
Doch Familien ohne guten Internet-Anschluss waren sicher im Nachteil. Ebenso die Schülerinnen und Schüler mit Lerndefiziten. Gerade hier zeichnen sich grosse Schäden ab, mit denen Italien womöglich noch jahrelang zu kämpfen haben wird.
Wie könnten sich die Folgen konkret zeigen?
Vor allem im Süden des Landes werden die Schäden durch das verlorene Schuljahr gross sein. Denn dort haben schon jetzt viele Schülerinnen und Schüler die Schule ohne Abschluss verlassen. Ihre Zahl dürfte jetzt noch zunehmen. Auf dem Arbeitsmarkt haben diese Jugendlichen dann riesige Probleme, eine Stelle zu finden. Da bahnt sich ein riesiges Problem an.
Das Gespräch führte Sandro Della Torre.