Was ist das Problem der Menschen in Ungarn? Auch wohlhabende Ungarinnen und Ungarn müssen plötzlich sparen wie noch nie im Leben. Eine Budapesterin mit eigentlich hoher Rente sagt beispielsweise gegenüber SRF, sie habe nicht einmal im Kommunismus aufs Geld schauen müssen, heute aber schon. Die Menschen sammeln Rabattcoupons und gehen von Laden zu Laden, um dort einzukaufen, wo es am billigsten ist. Sie planen ihr Essen nach Sonderangeboten, verzichten auf teures Obst und neue Kleider. Auffällig ist auch eine Statistik: Viele ältere Menschen arbeiten wieder, weil die Rente nicht reicht.
Was sind die Gründe für die Geldnot vieler Ungarinnen und Ungarn? Die Teuerung ist in Ungarn so hoch wie nirgendwo sonst in der Europäischen Union. Zudem steckt die Wirtschaft in einer technischen Rezession, das bedeutet, sie ist zwei Quartale hintereinander geschrumpft statt gewachsen (im Vergleich zur Vorjahresperiode). Dahinter steckt die ungünstige Struktur der ungarischen Wirtschaft: Das Land hat es (noch) nicht geschafft, eine Wirtschaft mit hoher Wertschöpfung im eigenen Land aufzubauen. Die ungarische Wirtschaft ist immer noch zu einem grossen Teil Zulieferer für ausländische Unternehmen, vor allem für die deutsche Autoindustrie. Wenn es dort nicht gut läuft, hat Ungarn ein Problem.
Und wie reagiert die Politik? Die ungarische Regierung hat die Preise für gewisse Grundnahrungsmittel gedeckelt, aber das scheint nicht viel zu bringen. Sonst hat sie nicht viel Handlungsspielraum und ist sogar Teil des Problems: Weil sie letztes Jahr vor den Wahlen viel Geld ausgegeben hat, musste sie die Steuern erhöhen und konnte kaum finanzpolitisch auf die Teuerung reagieren. Sie hatte die Teuerung eher noch angeheizt. Die Regierung rund um Ministerpräsident Viktor Orban sagt, Schuld an der Misere seien die EU-Sanktionen gegen Russland. Aber die gelten ja für die ganze EU, und die Wirtschaft in Ungarn läuft besonders schlecht.
Hat die Lage in Ungarn politische Konsequenzen für die Regierung? Nicht wirklich, Regierungschef Viktor Orban hat kaum an Beliebtheit verloren. Das liegt daran, dass sich gerade ältere Ungarinnen und Ungarn daran erinnern, dass es unter der Vorgängerregierung noch viel schlimmer war: Als die Sozialistinnen und Sozialisten regierten, stand Ungarn vor dem wirtschaftlichen Kollaps und internationale Geldgebende mussten einspringen. Die sozialistische Partei führt heute immer noch die ungarische Opposition an, sie wünscht sich fast niemand zurück. Ausserdem wirkt die Propaganda der Orban-Regierung: Viele Ungarinnen und Ungarn glauben tatsächlich, die EU sei schuld an ihrer Misere.