Am vergangenen Montagabend ist die Schweizer Rettungskette in die Türkei aufgebrochen, um bei der Erdbebenkatastrophe zu helfen. Seither steht das Team fast ununterbrochen im Einsatz. Je mehr Zeit vergeht, desto schwieriger ist es, Opfer lebend aus den Trümmern zu bergen. Der Leiter der Rettungskette, Sebastian Eugster, berichtet, wie er und die rund 80 Beteiligten den Einsatz erleben.
SRF News: Sie waren fast eine Woche vor Ort. Wie ist die Bilanz?
Sebastian Eugster: Es war eine intensive Woche. Die erfreulichste Bilanz ist, dass wir elf Personen das Leben retten konnten und das ist für das ganze Team einer der grössten Erfolge.
Was hat sich Ihnen in der Stadt Antakya für ein Bild präsentiert?
Es ist eine wahnsinnige Zerstörung. Das Stadtzentrum ist wirklich sehr schwer betroffen. Es gibt viele mehrstöckige Gebäude, die zusammengestürzt sind. Fünf-, sechsstöckige Gebäude sind auf drei bis fünf Meter zusammengeschrumpft. Man sieht zwar die einzelnen Stockwerke, aber dazwischen hat es ganz viele Trümmer. Und darin Überlebende zu suchen und zu finden, ist eine grosse Herausforderung gewesen.
Auch nach der Rettungsphase wird weiterhin Hilfe geleistet.
Was ist wichtig, dass so ein Rettungseinsatz funktioniert?
Wir sind so organisiert, dass wir unabhängig arbeiten können. Wir haben unsere eigene Basis und unser eigenes Equipment, also Material, mit dem man auf den Trümmern arbeiten kann. Das bringen wir alles mit. Wir haben auch eine gute, international zertifizierte Ausbildung.
Das österreichische Rettungsteam hat seine Arbeit wegen Sicherheitsbedenken vorübergehend unterbrochen. Wie sieht es bei Ihnen aus?
Wir hatten keine Zwischenfälle bei der Sicherheit. Es gehört natürlich zum Auftrag, die Situation sehr genau zu analysieren. Entsprechend haben wir auch Massnahmen angepasst. In der Basis, wo momentan das ganze Team ist, fühlen wir uns sicher. Wir sind weiterhin bereit für weitere Aufträge.
Was tun sie konkret für die Sicherheit?
Wir haben einen Sicherheitsberater im Team, der kontinuierlich die Situation analysiert. Er ist gut vernetzt mit den anderen Teams, mit der UNO und mit den Behörden. Es kann auch dazu gehören, dass eine Verschiebung in der Nacht besonders gut vorzubereiten ist. Zwischen der Basis und den Teams im Feld haben wir immer eine Verbindung.
Wir bauen unsere Hilfe aus.
Wie geht die Hilfe jetzt weiter?
Die Schweiz hat seit heute Samstag ein neues Team – ein Sofort-Einsatzteam – im Land. Auch nach der Rettungsphase wird weiterhin Hilfe geleistet. Wir bauen unsere Hilfe auch aus. Der Auftrag des Teams ist zu prüfen, was wirklich die Bedürfnisse sind und wie man weitere Hilfe in die Wege leiten kann.
Was brauchen die Leute am dringendsten?
Sie brauchen Hoffnung. Sie brauchen Gewissheit, dass es weitergeht. Es kommt jetzt ein Moment, wo sie die Gewissheit haben, dass ihre Angehörigen unter den Trümmern wirklich nicht mehr zurückkommen. Darum ist es wichtig, dass die Hilfe weiter geht. Dass sie ein Dach über dem Kopf haben, dass sie zu essen haben. Es gibt auch Kinder, die ein Trauma haben und das verarbeiten müssen.
Das Gespräch führten Anita Bünter und Jonas Bischoff.