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Schweizerin entführt «Die Schweizerin hätte nicht in Agadez wohnen dürfen»

Womöglich stünden Kriminelle hinter der Entführung einer Schweizerin in Niger, sagt Ulf Laessing, der im Nachbarland Mali lebt. Die mit einem Einheimischen verheiratete Frau lebte seit Jahren in Agadez.

Ulf Laessing

Sahel-Experte

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Ulf Laessing leitet das Regionalprogramm Sahel der Konrad Adenauer Stiftung, die der CDU nahesteht. Laessing ist in Bamako, Malis Hauptstadt, stationiert. Er war zuvor Auslandskorrespondent und Büroleiter bei der Nachrichtenagentur Reuters im Nahen Osten, Nordafrika und Afrika südlich der Sahara. Er hat Geschichte, Islamwissenschaften und Volkswirtschaft studiert.

SRF News: Wer steckt hinter solchen Entführungen in Niger?

Ulf Laessing: Entführungen sind in der Region eine wichtige Einnahmequelle für Dschihadisten, die der Al-Kaida oder dem IS nahestehen. Opfer sind bevorzugt Personen aus dem Westen, um dann Lösegelder zu erpressen.

Der Staat ist in Agadez sehr schwach und es gibt viele Kriminelle.

Wie können sie am helllichten Tag einfach eine Frau aus ihrem Haus entführen?

In Agadez gibt es ein hohes Entführungsrisiko. Für die Region in Zentral-Niger gibt es scharfe Reisewarnungen etwa der EU. Der Staat ist sehr schwach und es gibt viele Kriminelle. Sie entführen zuweilen Menschen relativ zufällig und geben sie an die Terrororganisationen weiter. Dort als westliche Person zu wohnen, ist im Grunde unverantwortlich, die Sicherheitslage ist sehr heikel.

Was passiert mit einer Geisel nach deren Entführung?

Der IS kontrolliert im Norden Malis weite Gebiete, in denen er die Geiseln festhalten kann, ohne von staatlichen Sicherheitskräften behelligt zu werden. Meist spielen die Terroristen dann auf Zeit, während sie über ein Lösegeld verhandeln. Mitunter kann es Jahre dauern, bis Geiseln wieder freikommen.

Reisewarnung vom EDA

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Auch das eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten warnt vor einem Besuch in Niger.

«In grossen Teilen der Sahara und des Sahel sind bewaffnete Banden und terroristische Gruppierungen aktiv, die von Schmuggel, Raubüberfällen und Entführungen leben. Sie sind gut organisiert, operieren grenzüberschreitend und haben Verbindungen zu lokalen, kriminellen Gruppen. Immer wieder werden Ausländerinnen und Ausländer in der Sahara und der Sahelzone verschleppt. Besonders gefährdet sind Touristinnen und Touristen, Mitarbeitende von internationalen Organisationen, Hilfsorganisationen und ausländischen Firmen, sowie Personen religiöser Einrichtungen. »

Kürzlich wurde in Niger auch eine Österreicherin entführt. Wie steht es in diesem Fall?

Die Frau wurde im Januar entführt und soll vom IS festgehalten werden. Über den Stand möglicher Verhandlungen ist nichts bekannt.

In der malischen Wüste im Norden ist es am Tag 50 Grad heiss, in der Nacht bitterkalt.

Was bedeutet die Geiselhaft für die Entführungsopfer?

Die gute Nachricht ist: Die meisten Geiseln kommen irgendwann wieder frei. Doch auch wenn sie einigermassen gut behandelt werden: In der malischen Wüste im Norden ist es am Tag 50 Grad heiss, in der Nacht bitterkalt. Die Verpflegung ist minimal und die medizinische Versorgung zumindest mangelhaft. Zwar haben die Entführer ein Interesse, dass die Geiseln am Leben bleiben. Aber die Umstände sind alles andere als einfach.

Spätestens nach der Entführung der Österreicherin im Januar hätte der Alarm losgehen sollen.

Wieso könnte gerade diese Schweizerin entführt worden sein?

Jeder Europäer in der Region hat ein Preisschild auf der Stirn und ist entsprechend attraktiv für Kriminelle. Die Schweizerin hätte nicht in Agadez wohnen dürfen. Sie wiegte sich als mit einem Einheimischen verheiratete Frau wohl in falscher Sicherheit. Spätestens nach der Entführung der Österreicherin im Januar hätte der Alarm losgehen sollen.

Wie reagieren die Behörden in Niger auf eine Entführung?

Sie sind verärgert: Trotz der Gefahren halten sich dort Personen aus dem Westen auf, werden entführt, und dann müssen die Behörden mit den Terroristen verhandeln. Kommt die Geisel später für Lösegeld frei, stärkt das wiederum die Terroristen. Es gibt nur wenig Verständnis für Westler, die glauben, Reisewarnungen gälten nicht für sie. Ausserdem ist der Staat in Niger oder Mali sehr schwach und kann nur wenig ausrichten. In der Wüste, wo sich Tuareg und Terroristen aufhalten, hat der Staat erst recht wenig zu sagen und kann dort kaum Schutz bieten.

Das Gespräch führte Katrin Hiss.

SRF 4 News aktuell, 15.4.2025, 8:20 Uhr ; 

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