Bis heute sollte der gewählte Präsident Nigers, Mohamed Bazoum, wiedereingesetzt werden: Dies die ultimative Forderung der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas an die nigrischen Offiziere, die den Präsidenten entmachtet hatten. Sonst werde man militärisch intervenieren. Doch das Ultimatum scheint ohne Konsequenzen zu verstreichen. Sahel-Experte Ulf Laessing ordnet ein.
SRF News: Weshalb bleibt die angedrohte Militäraktion aus?
Ulf Laessing: Die Ecowas hat bislang nur in Ländern interveniert wie Gambia, wo die Regierung sie eingeladen hat. In Niger müsste man mit Gewalt vorgehen. Denn wenn die Putschisten am Flughafen Niamey die Landebahn blockieren, könnten sie gar nicht hinfliegen. Und ob Ecowas die Fähigkeiten hat, eine Kommandooperation mit Fallschirmspringern durchzuführen, bezweifle ich. Insofern war das wohl mehr eine Drohung, um Druck aufzubauen, aber nicht unbedingt, um wirklich loszuschlagen.
Das lässt Ecowas schwach erscheinen.
Ja, und die Reputation der Ecowas ist ohnehin angeschlagen. Beim Coup in Mali hatten sie lange gezögert und dann Sanktionen verhängt, aber keine Militärdrohung. In Burkina Faso haben sie gar keine Sanktionen verhängt. Und jetzt Sanktionen und Militärdrohungen. Und dann gab es auch Fälle, wo Präsidenten toleriert wurden, die entgegen der Verfassung noch ein drittes Mandat antreten wollten. Also Ecowas ist immer sehr uneinheitlich vorgegangen und wird deswegen auch von vielen Afrikanern nicht wirklich ernst genommen.
Was ist in Ihren Augen das wahrscheinlichste Szenario, wie es weitergeht?
Das Wahrscheinlichste ist, dass die Putschisten an der Macht bleiben und man mit ihnen redet, Druck aufbaut, dass sie möglichst schnell eine zivile Übergangsregierung ernennen und Wahlen abhalten. Wenn jetzt Ecowas versuchen würde, Präsident Bazoum wieder zu installieren, hätte man einen Präsidenten, der vom Ausland gerettet wurde. Insofern ist es unwahrscheinlich, dass er zurückkehrt.
Es ist wahrscheinlich, dass die Putschisten an der Macht bleiben und dass sich Europa mit ihnen arrangiert.
Sondern es ist wahrscheinlich, dass die Putschisten an der Macht bleiben und dass sich Europa mit ihnen arrangiert. Man braucht Niger zur Bekämpfung von Armutsmigration und Terrorismus.
Werden die Putschisten mit Europa zusammenarbeiten?
Daran muss man zweifeln. Es könnte auch sein, dass Niger Richtung Russland abdriftet wie Mali und Burkina Faso mit ihren Militärregierungen. Wenn Niger jetzt ein Partner wird von Russland, wird es schwierig für Europa, diese Zusammenarbeit fortzusetzen. Die Putschisten könnten Druck auf Europa ausüben und sagen, wir öffnen jetzt diese Migrationsroute, die Transitroute nach Libyen wieder, die die Vorgängerregierung geschlossen hatte. Wahrscheinlich wird dann auch die westliche Militärzusammenarbeit nicht fortgesetzt. Dann wird sich die Sicherheitslage verschlechtern und Dschihadisten dürften davon profitieren.
Niger wurde lange als Stabilitätsanker in der Region dargestellt. War es das wirklich?
Niger als Stabilitätsanker war eine grosse Illusion. Die Idee mit Niger kam auf, als in Mali die Probleme mit den westlichen Truppen begannen. Niger war immer eines der ärmsten Länder der Welt, wo der Staat ausserhalb der Hauptstadt kaum präsent ist. Es war eine Illusion zu glauben, dass das ein Stabilitätsanker sein kann.
Niger als Stabilitätsanker war eine grosse Illusion.
Es wurden Hunderte von Millionen an Hilfsgelder in Form von Projekten nach Niger geschickt, militärischer und ziviler Art. Es gab aber immer wieder Kritik von Leuten, die sagten, das ist zu viel, zu unkoordiniert, und fördere Korruption.
Das Gespräch führte Daniel Glaus.