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Terror: Wie gefährdet sind Fussball-EM und olympische Spiele?
Aus Echo der Zeit vom 31.05.2024. Bild: Keystone
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Sicherheit bei Grossanlässen «Das Terrorrisiko hat sich in der Gesellschaft festgesetzt»

Im Sommer finden in Europa zwei Sport-Grossanlässe statt. Experte Jannis Jost sagt, ob Gefahr für Terror besteht.

Mitte Juni beginnt in Deutschland die Fussball-Europameisterschaft und Ende Juli finden in Frankreich die Olympischen Sommerspiele statt. Experte Janis Jost über die mögliche Terrorgefahr, die bei solchen Anlässen besteht.

Jannis Jost

Jannis Jost

Leiter der Terrorismus- und Radikalisierungsforschung Uni Kiel

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Seit 2019 ist Jannis Jost Leiter der Terrorismus- und Radikalisierungsforschung des Instituts für Sicherheitspolitik an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Seine Forschungsschwerpunkte sind Radikalisierungsforschung, Prävention und Intervention sowie die Entscheidungsfindung und interne Dynamiken terroristischer Gruppierungen.

SRF News: Würden Sie selbst bedenkenlos an einer der Sportveranstaltungen teilnehmen?

Jannis Jost: Bedenkenlos würde ich nicht teilnehmen. Mit jeder Grossveranstaltung gehen Risiken einher, ein terroristisches Risiko, aber auch Risiken anderer Art.

Welche Szenarien stehen bei den Sicherheitsmassnahmen im Vordergrund?

Das sind Anschläge aus dem islamistisch-dschihadistischen Spektrum. Besonders der IS-Khorasan (abgekürzt IsKA, Anmerkung der Red.) hat in letzter Zeit versucht, Anschläge in ganz Europa zu begehen und hat sich auch dezidiert drohend zu der Europameisterschaft geäussert.

Die Polizei unterscheidet zwischen zwei Tätertypen: die organisierten Täter und die radikalisierten Einzeltäter.

Zudem haben wir den Gazakrieg und den Ukrainekrieg. Inwiefern hat das die Gefahrenlage verändert?

Die Polizei unterscheidet zwischen zwei Tätertypen: Erstens gibt es die organisierten Täter. Solche Anschläge können verheerend sein. Sie sind vergleichsweise selten, weil es eine Organisation mit personeller Kompetenz, Ressourcen und Logistik braucht. Durch die Schwächung des IS war dies lange Zeit nicht mehr gegeben. Jetzt scheint es mit IsKA wieder denkbar zu werden. Der zweite Tätertyp sind die radikalisierten Einzeltäter. Sie begehen ihre Anschläge oft mit simplen Mitteln wie Hieb- und Stichwaffen. Sie sind in ihrem Effekt eingeschränkter, aber nur schwer zu verhindern, weil sie keinen kommunikativen und organisatorischen Überbau haben. Das sind die beiden Tätertypen, und beide sehen wir im Zuge der erwähnten Entwicklungen wieder verstärkt auftreten.

Plakat der UEFA mit der Aufschrift: Stuttgart Host City
Legende: Diesen Sommer findet in Deutschland die Männer-Fussball-EM statt. Erhöht das die Terrorgefahr? Keystone/Bernd Weissbrod

Mit dem Gazakrieg hat der Antisemitismus in Europa massiv zugenommen. Welchen Einfluss hat das auf die Terrorbedrohung?

Sicherlich trägt das zu der Radikalisierung durch Einzeltäter bei. Antisemitismus sehen wir aber auch über das islamistisch dschihadistische Spektrum hinaus. Wir sehen ihn im rechten und im linken Bereich, und in Nischenphänomenen wie dem Antiregierungsextremismus. Und wir haben in den letzten Monaten vermehrt Pläne gegen jüdische Einrichtungen gesehen, losgelöst von der EM. Diese Leute sind nicht weg, nur weil EM und Olympiade sind.

All diese verschiedenen Entwicklungen von Antisemitismus, Einzeltätern, Radikalisierung, islamistische Terrororganisation und auch staatliche transnationale Spionage und Sabotageakte ballen sich zusammen.

Sicherheitsbehörden in Europa warnen vor russischen Sabotageakten. Ist diese Sorge berechtigt?

Ja. Wir sehen definitiv Vorbereitungen in diese Richtung. Es ist nicht die hauptsächliche Gefahr, die ich mit der EM sehe. Aber all diese verschiedenen Entwicklungen von Antisemitismus, Einzeltätern, Radikalisierung, islamistische Terrororganisation und auch staatliche transnationale Spionage und Sabotageakte ballen sich zusammen.

Haben potenzielle Saboteure oder Terroristen allein durch den riesigen Sicherheitsaufwand und verunsicherte Menschen schon ein Ziel erreicht?

Das ist schwer zu sagen. Man hört, dass tatsächlich die Ticketverkäufe nicht so gut gehen, wie die UEFA es gerne hätte. Ich würde das nicht direkt mit der Terrorangst in Verbindung bringen. Das Terrorrisiko und auch die Terrorgefahr hat sich in der Gesellschaft festgesetzt. Meiner Ansicht nach haben die Gesellschaften damit eine gewisse Umgangsform gefunden. Von einem Sieg der Terroristen würde ich bereits deshalb sprechen, weil wir darüber reden. Die Debatte wird meiner Meinung nach sachlich geführt.

 Das Gespräch führte Brigitte Kramer.

Echo der Zeit, 31.05.2024. 18:00 Uhr ; 

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