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Sicherheit statt Illusionen Wie Selenski versucht, den Westen für seine Strategie zu gewinnen

Bevor Donald Trump sein Amt als US-Präsident antritt, versucht der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski, den Westen für seine Sicherheitsstrategie zu gewinnen.

Über die Feiertage gab Wolodimir Selenski so viele Interviews wie kaum je zuvor. Besonders lange sprach er mit dem US-amerikanischen Podcaster Lex Friedman. Dessen Podcast gehört, mit vier Millionen Abonnentinnen und Abonnenten, zu den meistgehörten in den USA. Friedman liebt mächtige und auch kontroverse Figuren, meist aus dem rechtskonservativen Milieu.

Und so ging es dem ukrainischen Präsidenten wohl darum, dieses Publikum zu erreichen, zu dem auch Donald Trump und dessen Berater Elon Musk gehören.

Selenskis Botschaft: Voraussetzung für einen Waffenstillstand sind Sicherheitsgarantien. «Wenn wir keine Sicherheitsgarantien haben, schlägt Putin wieder zu. Das könne in niemandes Interesse sein, denn ein erneuter Krieg würde ganz Europa erfassen», so Selenski. Die Garantien müssten stark sein. Die Stärkste wäre ein schneller Nato-Beitritt der Ukraine.

Vorläufiger Verzicht aber keine Anerkennung 

Die Nato könne in den Gebieten operieren, die unter ukrainischer Kontrolle seien. Gleichzeitig brauche es substanzielle Waffenhilfen und Sanktionen gegen Russland, damit der Kreml die Kriegskasse nicht weiter füllen könne. Damit formuliert der ukrainische Präsident das, was gemäss Umfragen eine Mehrheit der ukrainischen Bevölkerung akzeptieren könnte: Ein vorläufiger Verzicht auf die besetzten Gebiete im Tausch gegen solide Sicherheitsgarantien.

Das bedeutet aber keine Anerkennung der besetzten Gebiete als russisches Territorium. Diese würde man weiterhin mit diplomatischen Mitteln zurückholen wollen. Er könne die Menschen in den besetzten Gebieten nicht im Stich lassen, so Selenski.

Selenski spricht mit Trump.
Legende: Wolodimir Selenski weiss genau, mit welchen Worten er Donald Trump schmeicheln kann. Ob das hilft, wird sich zeigen. Reuters/ Shannon Stapleton

Auffällig oft bezeichnete Selenski den designierten US-Präsidenten als starke Figur und schmeichelte damit dessen Ego, was Trump bekanntermassen gefällt. Putin habe Angst vor Trump, so Selenski. Er warnte aber sogleich: Sobald Trump einen Waffenstillstand ohne ernsthafte Sicherheitsgarantien für die Ukraine schliesse, sei das wie ein Freibrief für Putin.

Waffenstillstand nicht mit Frieden verwechseln

Die Ukraine will verhindern, dass der Westen einen Waffenstillstand mit einem Frieden verwechselt. Gleichzeitig versucht Kiew, sich auch auf dem Schlachtfeld in eine Position zu bringen, die am Verhandlungstisch nützlich sein könnte. Ukrainische Einheiten überraschten am Wochenende mit einem neuen Vorstoss in der russischen Region Kursk, wo ukrainische Truppen seit August Territorium besetzen. Einen Teil des Gebiets konnten die Russen allerdings in den letzten Monaten zurückerobern, auch dank der Hilfe nordkoreanischer Soldaten.

Schliesslich meldete sich auch die ukrainische Zivilgesellschaft zu Wort mit einem Aufruf an die Weltöffentlichkeit, der von 160 Figuren des öffentlichen Lebens unterzeichnet wurde von namhaften Künstlern, Diplomaten und Menschenrechts­aktivistinnen. Man dürfe das Böse nicht zu beschwichtigen versuchen, schreiben sie. Der Preis des Krieges erhöhe sich, wenn die Verbündeten sich der Illusion hingeben würden, den Krieg stoppen zu können, ohne seine Wurzeln zu bekämpfen. Das Böse müsse besiegt und bestraft werden. Nur so sei eine sichere Zukunft für die Ukraine, für Europa und die ganze Welt möglich.
                

Echo der Zeit, 08.01.2025, 18 Uhr

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