Die Position der ukrainischen Regierung war sehr lange sehr klar: Jeder Quadratmeter besetztes ukrainisches Territorium soll befreit, die Russen aus dem Land geworfen werden. Fast wie ein Mantra wurde diese – völkerrechtlich vollkommen legitime – Forderung vorgetragen.
Ukrainische Verteidigung unter Druck
Das Problem: realistisch ist dieser ukrainische Wunsch zur Zeit nicht. Im Gegenteil – die russische Armee rückt an mehreren Frontabschnitten vor, die ukrainischen Verteidiger stehen arg unter Druck.
Nun bringt Trumps Wahl Bewegung in die ukrainische Position, wie die «New York Times» berichtet. «Die territoriale Frage ist extrem wichtig, aber es ist eine sekundäre Frage», zitiert die Zeitung einen hochrangigen ukrainischen Beamten. «Die primäre Frage ist die nach Sicherheitsgarantien.»
Wird die aktuelle Frontlinie eingefroren?
Da zeichnet sich ein ukrainischer Strategiewechsel ab. Und das hat ohne Zweifel mit der Wahl Donald Trumps zu tun. Der künftige US-Präsident will den Ukraine-Krieg so rasch wie möglich beenden. Aus seinem Umfeld wurde schon ein möglicher Plan bekannt: Der Krieg soll entlang der aktuellen Frontlinie eingefroren werden; die Ukraine soll die nächsten 20 Jahre auf einen Nato-Beitritt verzichten, um den Kreml zu besänftigen.
Im Gegenzug würden die Amerikaner den Ukrainern Waffen liefern, damit sie sich im Fall einer erneuten russischen Aggression wehren könnten. Ob Trump diesem Plan zustimmen wird, ist freilich noch unklar.
Gleichwohl setzen der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski und sein Team nun offenbar genau da an. Nach dem Motto: Wenn die Ukraine schon auf unabsehbare Zeit Territorium abgeben muss, braucht sie wenigstens für den Rest des Landes sehr solide Sicherheitsgarantien. Das könnten sein: sehr potente nicht-nukleare Waffen und im Idealfall auch ausländische Truppen, die die Waffenstillstandslinie bewachen.
«Trump-Frieden» würde internationale Truppen fordern
Dieser ukrainische Zugang ist pragmatisch – und aus Kiewer Sicht sinnvoll. Aber es gibt zwei Probleme mit einem solchen «Trump-Frieden»: Erstens ist unklar, ob der Westen der Ukraine wirklich die nötigen Sicherheitsgarantien geben kann. Die Frontlinie ist über 1000 Kilometer lang. Es bräuchte ein massives internationales Truppenaufgebot, um diese zu überwachen. Zudem müsste Trump Dutzende, vielleicht sogar hunderte Milliarden Dollar locker machen, um die Ukraine nach einem Friedensschluss aufzurüsten. Ob der das tut ist zweifelhaft.
Zweitens – und das ist wohl das grösste Problem: die Russen müssten mitmachen. Bisher gibt es keine Anzeichen, dass der Kreml bereit ist, von seinem maximalen Kriegszielen abzurücken. Und das ist die totale Unterwerfung der Ukraine – inklusive eines Regime-Wechsels in Kiew. Der Kreml müsste mit militärischem Druck dazu gezwungen werden. Nur wenn Wladimir Putin zum Schluss kommt, dass er militärisch nichts mehr erreichen kann, könnte er einem Ende des Krieges zustimmen. Doch danach sieht es im Moment auf dem Schlachtfeld nicht aus.