Es ist schon Nacht, als Jaroslaw seine Maschinengewehre lädt. Er ist Schütze bei der Flugabwehr in Kiew. Die kleine Truppe ist am Rand der Hauptstadt stationiert. Ihre Aufgabe: Russische Kampfdrohnen aufspüren und nach Möglichkeit abschiessen.
Noch ist es ruhig am Himmel. Die Männer haben sich in ihre kleine Unterkunft zurückgezogen. Kommandant Alexander erklärt, wie seine Einheit entstand. Sie bestehe ausschliesslich aus Freiwilligen.
Er selbst hat sich gleich bei Kriegsbeginn zum Dienst gemeldet. Denn: «Es sind schwierige Zeiten für unser Land. Deswegen sollte jeder tun, was er kann.»
Das ist anstrengend. Die Ukraine ist im dritten Kriegsjahr. Aber, meint Alexander, er und seine Männer hätten es noch verhältnismässig gut: «Müde sind die Leute, die in den Schützengräben stehen. Hier bei uns ist es fast so gemütlich wie zu Hause.»
Drohnen sind primitiv, aber billig und gefährlich
Es ist eine relative Gemütlichkeit. Die Soldaten warten oft tage- und nächtelang. Doch sie müssen jederzeit bereit sein. Russland greift die Ukraine regelmässig mit Drohnen an. Ursprünglich stammen die todbringenden Fluggeräte aus dem Iran. Inzwischen baut Russland sie selbst. Der Vorteil für die Angreifer: Die Drohnen sind zwar primitiv, aber billig. Und trifft eine Drohne ihr Ziel, kann sie erheblichen Schaden anrichten.
Die Flugabwehrtruppe von Kiew beobachtet draussen die Lage. Auf einem Tablet sehen die Männer, wo im Land gerade Drohnen kreisen. Immer wieder verschwindet eine vom Radar – weil sie von vorgelagerten Flugabwehreinheiten abgeschossen wurde.
Sie seien der letzte Abwehrposten vor Kiew, sagt Jaroslaw. Doch die Truppe ist mit uralten Waffen ausgestattet. Sie verfügt unter anderem über zwei Maschinengewehre des Typs Maxim. Mit solchen hat die Armee des russischen Zaren schon im Ersten Weltkrieg gekämpft.
«Wir haben die Gewehre modernisiert», sagt Jaroslaw. Diese Modernisierung besteht hauptsächlich darin, dass die freiwilligen Kämpfer zwei Maschinengewehre zusammengebaut haben. Wenn zwei Maxim auf einmal schiessen, sind die Chancen höher, die russischen Drohnen zu treffen. Einfach ist es auch dann nicht. Jaroslaw sagt dazu: «Früher sind die Drohnen gerade geflogen. Das waren vier bis fünf Stück aufs Mal. Da war es leichter, sie abzuschiessen. Jetzt fliegen sie kreuz und quer – und es sind viel mehr.»
Die Angriffe sollen die Menschen zermürben
Die russischen Angriffe sind nicht nur perfider, sondern auch häufiger geworden. Die regelmässigen Attacken sollen die Menschen in der Ukraine zermürben – den Widerstandswillen brechen. Jaroslaw gibt sich dennoch entschlossen: «Die russischen Soldaten kämpfen, weil sie Geld dafür bekommen. Wir kämpfen, um unser Land zu verteidigen.»
Die Ukraine verfügt dank westlicher Waffenhilfe über moderne Flugabwehrsysteme. Doch das Land ist so gross und die russischen Angriffe so heftig, dass es auch die freiwilligen Kämpfer aus Kiew braucht, die mit Waffen aus dem letzten Jahrhundert – und mit viel Enthusiasmus – versuchen, die Hauptstadt zu schützen.
Nach langen Stunden wird es langsam Morgen. Beim SRF-Besuch bei der Flugabwehr vor Kiew am 21. Oktober hat keine russische Drohne die ukrainische Hauptstadt erreicht. Die Männer beenden ihre Schicht – um dann bald wieder eine Nacht lang den Himmel über Kiew zu bewachen.