Stolz präsentierte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg vor kurzem die ersten Drohnen der Militärallianz. Solche unbemannten Flugzeuge symbolisieren für ihn die Anpassungs- und Modernisierungsfähigkeit der Nato.
Der Wermutstropfen: Entwickelt und gefertigt wurden die Nato-Drohnen in den USA. Auch alle europäischen Länder, die Drohnen besitzen, darunter Frankreich, Grossbritannien, Deutschland, Italien, aber auch die Schweiz kaufen sie entweder in Israel oder in den USA.
Die USA und Israel führen in dieser Technologie mit grossem Vorsprung. «Es ist verblüffend, dass im Jahr 2021 kein einziges europäisches Land imstande ist, hochentwickelte Drohnen herzustellen», sagt Dominika Kunertova, Forscherin am ETH-Zentrum für Sicherheitspolitik: «Zwar ist den Europäern längst bewusst, dass es um eine militärische Schlüsseltechnologie geht. Es flossen auch beträchtliche Investitionen in europäische Drohnenprojekte.» Telemon, Euromale, Mantis, Barracuda oder Neuron lauten einige der Namen. Bloss: Die Vorhaben sind versandet.
Die Konkurrenz der «Drohnenklubs»
Das Problem: Man investiert in Europa eher gegeneinander als miteinander – verschiedene «Drohnenklubs», bestehend aus mehreren Rüstungsfirmen, bekämpfen sich gegenseitig, statt zusammenzuspannen. Dazu kommt: Jedes Land hat seine eigenen Vorstellungen, wofür es Drohnen braucht und entsprechend, was diese können sollen.
Bewaffnet oder unbewaffnet, ist ein zentraler Streitpunkt. Frankreich etwa will seine Macht auch in ferne Regionen projizieren. Es setzt deshalb im Sahel auch Kampfdrohnen ein. Wohingegen in Deutschland der Koalitionspartner SPD Kampfdrohnen ablehnt, weshalb die Bundeswehr einzig Überwachungsdrohnen besitzt. Und auch Berlins Engagement bei der Eurodrohne stockt.
Abhängigkeit könnte sich rächen
2015 lancierten Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien die Entwicklung der Eurodrohne. 2025 soll sie operationell sein. Doch Kunertova und andere Experten rechnen mit einer Verzögerung von mindestens fünf Jahren – und heftigen Kostenüberschreitungen.
Kurzfristig ist es eine bequeme Abkürzung, wenn Europa einfach israelische Heron- oder Harfang- oder amerikanische Reaper- oder Hawk-Drohnen kauft. Doch mittel- und langfristig macht man sich so völlig abhängig. Und das in einem Rüstungsbereich, der künftig noch bedeutender wird.
Je länger es dauert, bis Europa eigene Drohnen hat, umso mehr wächst der Rückstand. So wird das Ziel einer «strategischen Autonomie» Europas immer mehr zur Illusion. Das mag unproblematisch erscheinen, solange die USA voll und ganz hinter der Nato stehen. Doch genau das ist, wie die Amtszeit von Präsident Donald Trump bewies, nicht auf ewige Zeiten garantiert.