Das ist passiert: Das westliche Militärbündnis Nato soll ein Verbindungsbüro in Genf eröffnen – und zwar noch in diesem Jahr. Das geht aus einem Dokument der Schweizer Armee hervor, das die Wochenzeitung «WOZ» am Mittwochabend veröffentlicht hatte. Die Stadt ist Europasitz der UNO und vieler internationaler Organisationen (IKRK, WHO, WTO, etc.). Sowohl der Bundesrat als auch das nordatlantische Bündnis haben bereits zugestimmt.
Sehen Sie das Dokument der Schweizer Armee selbst ein:
Der Plan: Wörtlich heisst es in der Aktennotiz: «Das Büro soll in Räumlichkeiten des GCSP [Anm. d. Red.: Genfer Zentrum für Sicherheitspolitik] /Maison de la Paix bezogen werden. Der Bundesrat hat einer Eröffnung eines Nato-Verbindungsbüros auf Antrag des EDA am 22.11.2023 zugestimmt. Am 14.12.2023 hat nun die Nato ihrerseits die Schweiz formell informiert, dass die Alliierten ihre finale Zustimmung zur Eröffnung des Büros gegeben haben.» Der Zeitplan sei im Detail noch nicht ausgearbeitet. Es dürfe aber davon ausgegangen werden, dass das Büro in Genf 2024 eröffnet werden könne, heisst es in der Aktennotiz. Gemäss übereinstimmenden Quellen der Nachrichtenagentur Keystone-SDA wird nur ein Nato-Verbindungsoffizier mit einigen Angestellten in Genf tätig sein.
Der Grund: Laut dem Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) soll sich das Verbindungsbüro nicht mit den Beziehungen zwischen der Nato und der Schweiz befassen, sondern wird mit der UNO und internationalen Organisationen zusammenarbeiten. «Das Nato-Bündnis verfügt bereits über zwei solche Verbindungsbüros in New York und Wien. Diese Büros fördern die Beziehungen des Bündnisses zu den dort ansässigen internationalen Organisationen und verfolgen die Entwicklungen auf multilateraler Ebene», heisst es auf Anfrage. Das Büro in Genf würde der gleichen Logik folgen. «Die Schweiz wird weiterhin über ihren Vertreter in Brüssel mit der Nato kommunizieren», schreibt das EDA.
Diskussionen seit Jahren: Die Diskussionen über das Verbindungsbüro in Genf dauern schon seit mehreren Jahren an. Im Zusatzbericht des Sicherheitspolitischen Berichts vom September 2022 hatte der Bundesrat bereits den Weg für eine Eröffnung eines solchen Büros geebnet. Dort heisst es: «Um die Zusammenarbeit der Nato mit dem internationalen Genf zu fördern, könnte die Schweiz auf die Eröffnung eines ‹Nato Liaison Office› in Genf hinwirken.» Die Idee eines Nato-Verbindungsbüros in Genf wurde von der Sicherheitspolitischen Kommission des Ständerates (SiK-S) im Februar 2023 mehrheitlich begrüsst.
Befürworterin: Die Luzerner Mitte-Ständerätin Andrea Gmür-Schönenberger findet die Eröffnung eines Nato-Verbindungsbüros in Genf eine gute Sache. «Ich befürworte jegliche Form von Kooperation mit der Nato. Wir sind Teil der europäischen Sicherheitsarchitektur und müssen unseren Beitrag leisten», sagt Gmür-Schönenberger auf Anfrage. Sie sieht neutralitätsrechtlich keine Bedenken.
Gegner: Anders sieht das Franz Grüter. «Als unabhängiger und neutraler Staat dürfen wir nicht Standort sein für militärische Bündnisse», sagt der Luzerner SVP-Nationalrat. Die Schweiz solle sich für friedliche Lösungen einsetzen und dazu von allen Konfliktparteien als neutral anerkannt werden. Ein Nato-Verbindungsbüro in Genf sei mit der Schweizer Neutralität nicht vereinbar, so Grüter.