Saad Hariri steht da und weiss, dass er gar nicht viel anderes sagen kann, als dass er das Urteil des Internationalen Sondertribunals für den Libanon akzeptiere. Der Sohn des 2005 ermordeten früheren Ministerpräsidenten des Libanon, Rafik Hariri, ist extra nach Den Haag gereist, um der Urteilsverkündung beizuwohnen. Eine andere Reaktion als das Akzeptieren wäre seinen Anhängern zuhause in Beirut das Signal gewesen, die Strassen zu stürmen. Dabei ist die Situation im Libanon nach der Katastrophe im Hafen von Beirut brenzlig genug.
Und genau wie damals, nach dem Attentat auf Rafik Hariri, glauben viele Libanesen auch heute wieder, dass nur eine internationale Aufklärung die vielen Fragen beantworten könne, die sich nach der Explosion von fast 3000 Tonnen Ammoniumnitrat im Hafen von Beirut stellen. Genau wie damals ist es auch heute wieder hauptsächlich die Hisbollah und ihre Verbündeten, wie beispielsweise der christliche Präsident Michel Aoun, die sich gegen eine solche internationale Aufklärung stellt.
Eine Enttäuschung
Das heutige Urteil wird viele Libanesinnen und Libanesen in ihrer Hoffnung enttäuschen, dass die wirklich Verantwortlichen für das Unglück im Hafen von Beirut jemals zur Verantwortung gezogen werden. Genauso, wie es sie in der Hoffnung enttäuschte, die Hintergründe über den Mord an Rafik Hariri zu erfahren.
Doch es gibt auch eine andere Seite. Saad Hariri sagte auch, es sei nun an der Hisbollah, Opfer zu bringen. Denn das Gericht hat zwar der Hisbollah-Führung (wie auch der syrischen Regierung) keine direkte Beteiligung an dem Mord vor mehr als 15 Jahren nachweisen können. Doch der für schuldig befundene Hauptangeklagte war auch gemäss dem Tribunal ein Mitglied der Hisbollah. Damit wird aus Sicht der wohl meisten Libanesen die Rolle der Hisbollah etabliert, auch wenn sie nicht direkt als an der Tat beteiligt verurteilt wird. Und daran, dass ein Mitglied der Hisbollah auf eigene Faust ein solches Attentat auf einen der gewichtigsten Politiker des Libanon durchführt, glaubt im Zedernstaat kein Mensch.
Dem Sondertribunal ist es nicht gelungen, Licht in die Hintergründe der Tat zu bringen. Das ist eine Enttäuschung. Doch mehr zu erwarten, wäre vermutlich vermessen gewesen. Ein Anhänger von Hariri im sunnitischen Viertel Tarik Jdide in Beirut sagte es so: «Die Wahrheit wäre zwar wichtig, aber sie wird nichts an der Situation ändern.»