Es ist keine Überraschung, dass die NPP, also die Parteienallianz des neuen, linken Präsidenten Anura Kumara Dissanayake, die Parlamentswahl in Sri Lanka mit deutlicher Mehrheit von knapp 62 Prozent gewonnen hat. Das war von den meisten Analytikern erwartet worden, nachdem sich der Aussenseiter schon bei den Präsidentschaftswahlen vor rund zwei Monaten gegen die konservativen Herausforderer durchgesetzt hatte.
Mithilfe der tamilischen Minderheit
Überraschend ist aber, dass der 55-Jährige die Wahl auch mit Unterstützung der tamilischen Minderheit gewonnen hat. Seine Partei NPP, die National People's Power Party, ist neu auch stärkste Kraft im tamilischen Kernland, im Norden der Insel.
Das ist bemerkenswert, denn Präsident Dissanayaka selbst gehört der singhalesischen Mehrheit an. Die tamilische Minderheit ist traditionell misstrauisch gegenüber Singhalesen und wählte bisher ihre eigenen, tamilischen Parteien. Das hat historische Gründe: Tamilische Rebellen hatten fast drei Jahrzehnte lang gegen die Singhalesen gekämpft, um einen eigenen Staat zu bekommen. Sie fühlten sich als Minderheit unterdrückt. Der Krieg ging verloren, die Tamilen fühlen sich noch immer unterdrückt. Aber sie sind offenbar desillusioniert von ihren eigenen Parteien, die untereinander zerstritten sind und bei früheren Wahlen nur wenige Sitze im Parlament erringen konnten – zu wenig, um die Politik mitbestimmen zu können.
Grosse Wahlversprechen
Der neue, linke Präsident Dissanayake hat diese Schwäche genutzt, um die Tamilinnen und Tamilen mit grossen Wahlversprechen ins Boot zu holen. Er versprach ihnen unter anderem, das von der Regierung konfiszierte Land zurückzugeben. Es wäre eine Kehrtwende der bisherigen Regierungspolitik.
Nachdem Dissayanake auch im Parlament eine klare Mehrheit erreicht hat, erwartet seine Wählerschaft, dass er auch die übrigen Versprechen einlöst. Der gemässigte Marxist ist angetreten, um das korrupte System zu säubern und die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern. Sri Lanka war vor gut zwei Jahren als Folge von Missmanagement und Korruption in eine tiefe Wirtschaftskrise gestürzt, von der sich der Inselstaat noch nicht erholt hat.
Sri Lanka hängt am Tropf des Internationalen Währungsfonds, doch dessen Auflagen treffen viele Menschen hart. Subventionen wurden gekürzt, Preise stiegen. Fast ein Drittel der Bevölkerung lebt inzwischen unter der Armutsgrenze. Diese schaut nun mit grossen erwartungsvollen Augen auf den neuen Präsidenten. Ob sich der Aussenseiter gegen die alten Eliten und die starken Interessengruppen durchsetzen kann, muss er jetzt beweisen. Das Mandat dazu hat er.