Ein schlichtes Steinhaus im Süden Colombos. Drinnen ist nur das Nötigste. Ein Tisch, ein paar Plastikstühle, eine vollgehängte Wäscheleine. Auf einem der Stühle sitzt Abu Bakel. In seinem gelben Polohemd sieht er aus wie ein Student. Aber Abu Bakel ist kein Student. Er ist ein Rohingya, ein Flüchtling.
«Meine Eltern haben Myanmar Anfang der 1990er-Jahre auf der Flucht vor der Militärjunta verlassen», sagt der 28-Jährige in fliessendem Englisch. Sie lebten als Flüchtlinge in Bangladesch im Lager Cox's Bazar. Dort sei er geboren als Flüchtling. Und ein Flüchtling sei er noch immer.
Seit 2016 in Sri Lanka
Für ihren Sohn hatten die Eltern ein besseres Leben im Sinn: weg vom Elend, weg von der Hoffnungslosigkeit und Gewalt im Lager. Sein Vater sei getötet worden, und auch er sei bedroht worden, sagt Abu Bakel.
Das UNHCR ist unsere einzige Hoffnung.
Die Eltern hätten einen Agenten bezahlt, um ihn mit falschem Pass nach Malaysia zu bringen. Aber der Agent habe ihn nach Sri Lanka gebracht. Das war 2016.
Inzwischen ist der junge Mann vom UNO-Flüchtlingshilfswerk UNHCR in Colombo als Flüchtling anerkannt. «Das UNHCR ist unsere einzige Hoffnung», sagt der Rohingya. Denn Sri Lanka hat die internationale Flüchtlingskonvention der UNO nicht unterzeichnet.
Die Anerkennung als Flüchtling hätte der Start in ein neues Leben werden sollen. Das UNHCR zahlte Abu Bakel anfangs umgerechnet 30 Franken im Monat, später ein bisschen mehr.
Der junge Mann kam mit Gelegenheitsarbeiten knapp über die Runden – wie die anderen Rohingya-Männer, die mit am Tisch sitzen. Doch eigentlich dürfen sie alle in Sri Lanka gar nicht arbeiten – und riskieren, in Internierungslager gesteckt zu werden.
Kein Geld mehr vom UNHCR
Doch auch mit dem Wenigen ist jetzt Schluss. Das UNHCR hat Ende letzten Jahres seine Hilfszahlungen eingestellt. Aus Geldmangel, wie die Behörde schreibt. Nicht nur das: Die UNO-Flüchtlingsbehörde will sich nach 35 Jahren aus Sri Lanka zurückziehen. Das kritisieren auch lokale Menschenrechtsaktivisten.
Wir wissen nicht, was jetzt mit uns passiert.
Man habe das Ziel erreicht, die meisten Bürgerkriegsflüchtlinge hätten in ihre Heimatorte in Sri Lanka zurückkehren können, schreibt das UNHCR. Für Flüchtlinge wie Abu Bakel, die aus anderen Ländern nach Sri Lanka geflüchtet sind, ist das eine bittere Enttäuschung. «Wir wissen nicht, was jetzt mit uns passiert», sagt er.
Sie steckten auf der Insel fest: kein Geld von der UNO, kein Anspruch auf Staatshilfe in Sri Lanka, kein Pass, nicht einmal eine Arbeitserlaubnis.
Überleben dank privater Spenden
Im Moment überlebten er und die gut hundert weiteren Rohingya in Sri Lanka dank privaten Spendern, die die Miete zahlten. Doch die Zahlungen könnten jederzeit eingestellt werden, befürchtet er.
«Wenn wir beim UNHCR anrufen, gibt es keine Antwort mehr», sagt Mohammed Anwar, ein früherer Englischlehrer. Auch er sitzt mit am Tisch. Auch er hat das Lager in Bangladesch verlassen, weil er bedroht wurde. Seine Familie lebe noch in Bangladesch, seine drei Kinder hat er seit Jahren nicht gesehen.
«Tagsüber reissen wir uns zusammen», sagt der Enddreissiger. «Aber nachts kommt alles hoch. Dann weinen wir.»