- Libanons Staatspräsident Michel Aoun hat Mustafa Adib als neuen Ministerpräsidenten mit der Bildung einer Regierung beauftragt.
- Die wichtigsten politischen Fraktionen im Parlament hatten den 48 Jahre alten Juristen und Diplomaten nominiert.
- Mustafa Adib ist seit 2013 libanesischer Botschafter in Deutschland.
Nach Angaben des Senders «Voice of Lebanon» nominierten 90 von 128 Parlamentsabgeordneten den Diplomaten Mustafa Adib als Regierungschef. Er war vom früheren Ministerpräsidenten Saad Hariri vorgeschlagen worden. Hariri führt den sunnitischen Block im Parlament an. Auch die einflussreiche schiitische Hisbollah und ihre Verbündeten sagten Adib ihre Unterstützung zu.
Jurist und Botschafter
Mustafa Adib ist seit 2013 Botschafter des Libanon in Deutschland. In der libanesischen Öffentlichkeit ist der promovierte Rechts- und Politikwissenschaftler kaum bekannt. Bisher hatte er keine politischen Spitzenämter inne. Nach seiner Promotion lehrte er an Universitäten im Libanon und in Frankreich.
In einer ersten Ansprache sprach Adib von einer raschen Regierungsbildung und grundlegenden Reformen. In diesen schwierigen Zeiten gebe es keine Zeit für Reden, Versprechungen oder Glückwünsche, erklärte er. «Es ist Zeit zu arbeiten, mit aller Kraft und in Zusammenarbeit aller.» Für seine Regierung wolle er Personen mit Kompetenz und Fachwissen auswählen.
Unmittelbar nach seiner Nominierung besuchte Adib kurz Stadtviertel Beiruts, die bei der Explosion besonders stark zerstört wurden. Dort sagte er zu, die Ermittlungen zu der Katastrophe zu beschleunigen.
Machtteilung gemäss Konfessions-Proporz
Die höchsten Staatsämter werden im Libanon nach einem jahrzehntealten Proporzsystem unter den grössten Konfessionen verteilt. Der Präsident muss immer ein Christ sein, der Premierminister ein Sunnit und der Parlamentspräsident ein Schiit.
Die bisherige libanesische Regierung von Premierminister Hassan Diab war nach der verheerenden Explosion im Hafen von Beirut vor vier Wochen zurückgetreten und nur noch geschäftsführend im Amt. Die Explosion hatte mehr als 180 Todesopfer und über 6000 Verletzte gefordert.
Für den Libanon ist es der zweite Regierungswechsel in weniger als einem Jahr. Hassan Diab hatte das Amt des Ministerpräsidenten erst im Frühjahr übernommen, nachdem sein Vorgänger Saad Hariri im Oktober 2019 nach Massenprotesten seinen Rücktritt erklärt hatte.
Krisenmanager gefragt
Der neue Premierminister muss sich der aktuellen Wirtschafts- und Finanzkrise stellen und es droht gar der Staatsbankrott. Die Corona-Pandemie und die schwere Explosion haben die Lage im Libanon weiter verschärft. Die Regierung verhandelt seit Monaten erfolglos mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) über ein Rettungsprogramm.
In den vergangenen Monaten war es immer wieder zu Massenprotesten gekommen, die grundlegende politische Reformen fordern. Die Demonstranten werfen der politischen Elite des Landes Korruption und Selbstbereicherung vor. Nach der Explosion vor einem Monat wuchs die Wut vieler Libanesen auf die herrschenden Politiker weiter.