Es braucht nicht mal zwingend Donald Trump, damit die USA das Völkerrecht und Menschenrechte attackieren. Der jüngste Angriff kommt vom Parlament: Das Repräsentantenhaus feuert mit einem Sanktionsgesetz eine Breitseite ab gegen den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. Nicht nur die Republikaner votierten dafür, auch Dutzende von Demokraten. Der Senat dürfte folgen.
Nicht im eigenen Interesse
Washington begrüsste anfänglich – unter Präsident Bill Clinton – die Schaffung des Strafgerichtshofs. Er soll die Drahtzieher hinter Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Angriffskriegen und Völkermord zur Rechenschaft ziehen. Die USA traten ihm jedoch später nicht bei – genauso wenig wie etwa Russland, China, Indien oder Israel. Doch sie kooperierten mit ihm, solange er vornehmlich Potentaten aus Afrika ins Visier nahm.
Als die damalige Chefanklägerin Fatou Bensouda indes in Afghanistan ermittelte, potenziell auch gegen US-Soldaten, änderte Washington seine Haltung. ICC-Repräsentanten wie Bensouda durften nicht mehr in die USA einreisen, allfällige Konten dort wurden gesperrt.
Definitive Wende mit Netanjahu
Als dann voriges Jahr der aktuelle Chefankläger Karim Khan einen Haftbefehl gegen Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu erliess, zeigte sich sogar US-Präsident Joe Biden «empört». Seither sind die Vereinigten Staaten auf Konfrontationskurs zum ICC.
Das neue Gesetz ist ein Fundamentalangriff auf eine Institution, die ohnehin schon angeschlagen ist. Mit US-Sanktionen belegt werden sollen alle, die – egal aus welchem Land stammend – in irgendeiner Weise den ICC unterstützen beim Vorgehen gegen Netanyahu.
Die Sanktionen dürften sehr breit wirken, ähnlich wie jene wirtschaftlichen Sekundärsanktionen, welche die Amerikaner bisweilen verhängen und die unter anderem auch Schweizer Firmen treffen.
Mit Recht hat das rein gar nichts zu tun. Es geht allein um Macht. Die USA haben diese und können ihre Politik auch ausserhalb der Landesgrenzen durchsetzen.
ICC in der Existenz gefährdet
In einer ersten Reaktion per Communiqué äussert man sich beim ICC schwer besorgt. Verzweifelt wäre treffender. Gerichtspräsidentin Tomoko Akane jedenfalls sieht die Existenz des Gerichtshofs in Gefahr. Dessen Durchsetzungsfähigkeit schwindet ohnehin schon. Etliche ICC-Mitgliedstaaten weigern sich, Haftbefehle wie jenen gegen Netanyahu oder den gegen Russlands Staatschef Wladimir Putin durchzusetzen. Die Schweiz hält sich dazu bedeckt.
Als der ICC 2002 seine Arbeit im Interesse von Millionen von Gewaltopfern aufnahm, galt er als historische Errungenschaft auf dem Weg zu einer gerechteren, friedlicheren Welt. Mächtigen, die Verbrechen verüben und verüben lassen, soll zumindest eine Verurteilung drohen.
Nun wird diese Errungenschaft mit kräftiger Beihilfe der USA zügig abgewickelt. Sie passt nicht in eine Welt, wo Prinzipien nurmehr wenig gelten, dafür rohe Macht umso mehr.