Darum geht es: Am Internationalen Strafgerichtshof (kurz: IStGH, engl. ICC) könnte darüber entschieden werden, ob der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu und einzelne Anführer der Terrororganisation Hamas gegen das Völkerrecht verstossen haben. Zumindest will das Karim Khan, der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshof. Er hat beantragt, dass Netanjahu, der israelische Verteidigungsminister Yoav Gallant und mehrere führende Köpfe der Hamas verhaftet werden. Es geht um mutmassliche Kriegsverbrechen im Zusammenhang mit dem Terrorangriff auf Israel am 7. Oktober und dem Krieg im Gazastreifen.
Das ist der IStGH: Der Gerichtshof wurde 1998 gegründet, im Sommer 2002 nahm er seine Arbeit auf. Sein Sitz ist in Den Haag in den Niederlanden. Der IStGH besteht aus 18 Richterinnen und Richtern, die für einen Zeitraum von neun Jahren gewählt sind. Sie beurteilen Verbrechen gegen das Völkerrecht. Der IStGH verfügt über keine eigene Polizei und ist bei der Verhaftung von Verdächtigen auf seine Mitgliedsstaaten angewiesen. Nicht zu verwechseln ist er mit dem Internationalen Gerichtshof (IGH). Dieser ist Teil der UNO und klärt Streitigkeiten zwischen Staaten – und nicht wie der IStGH die individuelle Verantwortlichkeit.
Der Verantwortungsbereich des IStGH: Die Grundlage des IStGH ist das Römer Statut. Darin steht, wie Völkermord oder Kriegsverbrechen genau definiert sind und wann jemand bestraft werden kann. 124 Länder haben diesen Vertrag bisher unterschrieben und ratifiziert – auch die Schweiz. Evelyne Schmid ist Professorin für Völkerrecht an der Universität Lausanne. Sie sagt: «Der ICC ist ein Gericht des ‹Last Resort›. Er ist nur dann zuständig, wenn ein Land selber nicht willens oder nicht in der Lage ist, die Ermittlungen ernsthaft durchzuführen.» Auch Personen aus Nicht-Mitgliedsländern können strafrechtlich verfolgt werden, wenn die mutmasslichen Verbrechen in einem Land passiert sind, das den Strafgerichtshof anerkennt. Die Palästinensische Autonomiebehörde als Vertreterin der Palästinensergebiete ist dem IStGH 2015 beigetreten.
Prominente Abwesende: Nicht alle Länder sind Mitglied und anerkennen den IStGH. Grosse Staaten wie die USA, Russland, China oder Indien sind z.B. nicht dabei – und auch Israel nicht. «Das hat sicher für jedes Land etwas unterschiedliche Gründe. Aber meistens geht es darum, dass man die Kontrolle einfach nicht gerne aus der Hand geben möchte», sagt Kennerin Evelyne Schmid.
Kritik am IStGH: «Der Internationale Strafgerichtshof ist nicht der mächtigste Akteur der internationalen Beziehungen», konstatiert Schmid. Immer wieder werde kritisiert, dass alles sehr lang dauere und viel Geld koste. Lange habe es zudem geheissen, dass das Gericht zu stark auf Afrika fokussiere. «Das war aber häufig deshalb, weil afrikanische Staaten sich zum Teil selber überwiesen haben», sagt Schmid.
Die Bilanz des IStGH: In den letzten 22 Jahren hat der IStGH vier Verurteilungen ausgesprochen. Die erste war für Thomas Lubanga aus dem Kongo, einen Milizführer, der wegen Rekrutierung von Kindersoldaten in Zusammenhang mit dem zweiten Kongokrieg 2012 verurteilt wurde. «Es sind wirklich sehr, sehr wenige, die angeklagt werden und die sich dann in Den Haag wiederfinden», so Schmid über den IStGH. «Die Hoffnung ist, dass durch seine Existenz die Zurückhaltung in der Kriegsführung erhöht wird.»