Was ist passiert? Italien könnte heute Mittwoch auf dem Trockenen sitzen: Tankstellenpächterinnen und -Pächter streiken seit Dienstagabend. Für 48 Stunden soll es keinen Sprit mehr geben. Dazu haben drei Gewerkschaften aufgerufen. Der Grund: Viele Tankstellen sehen sich als Opfer einer Schmutzkampagne der Regierung.
Was ist die aktuelle Lage? Sie habe sich bereits wieder etwas entspannt, sagt SRF-Italienkorrespondent Peter Vögeli. Einerseits habe die grösste der Gewerkschaften ihren Streik kurzfristig auf 24 Stunden reduziert.
Andererseits seien die Italienerinnen und Italiener aus leidgeprüfter Erfahrung sehr pragmatisch. «Es gab einen Vorlauf auf diesen Streik, also hat man sich eingedeckt», so Vögeli.
Welche Folgen hat der Streik für die öffentliche Infrastruktur? Auch hier habe man sich natürlich vorbereitet, sagt Vögeli. «Und es sind ja nicht sämtliche Tankstellen geschlossen», fährt er fort. Tankstellen würden ohnehin zur Grundversorgung gehören und deshalb dürften nicht alle schliessen. «Und Tankstellen, die direkt von Mineralölkonzernen betrieben werden, dürfen auch offen bleiben», erklärt er.
Was ist die Vorgeschichte der Proteste? Da müsse man ein paar Schritte zurückgehen, sagt Vögeli. Zunächst hatte die Regierung des ehemaligen Ministerpräsidenten Mario Draghi im letzten Jahr die Mineralölsteuern zuerst um 30, dann um 18 Cents reduziert; «angesichts der Preissteigerungen und der Inflation», so Vögeli. Die neue Regierung von Giorgia Meloni habe diese Steuernachlässe nun im Januar auslaufen lassen, mit der Begründung, dass diese Nachlässe den Staat pro Monat eine Milliarde Euro kosten würden; und das in einem Land mit einer Staatsverschuldung von knapp 150 Prozent des Bruttoinlandsprodukts oder rund 2.5 Billionen Euro. Nur Griechenland hat mehr.
Die Tankstellenbetreiber sehen sich als Sündenböcke.
«Schliesslich gab es in diesem ganzen Prozess verschiedene Minister, darunter Matteo Salvini, die den Tankstellenbetreiberinnen und -Betreibern vorgeworfen haben, sie würden diese Massnahme ausnützen und die Preise zusätzlich erhöhen», fährt Vögeli fort. Deswegen habe die Regierung ein Dekret erlassen, das vorschreibt, dass die Preise klar ausgeschrieben werden müssen und der nationale Durchschnittspreis ausgewiesen werden muss. «Und wer das nicht einhält, kann gebüsst werden, sogar die Tankstelle kann vorübergehend geschlossen werden. Dagegen protestieren die Tankstellenbetreiber: Sie seien die Sündenböcke», sagt Vögeli.
Welche anderen Interessen spielen eine Rolle? Der Streik ist gemäss Vögeli auch eine Machtprobe. Es gebe in Italien viele kleinere Kartelle, Taxifahrerinnen oder Tankstellenbetreiber. «Man kann ja nicht einfach so eine Tankstelle eröffnen oder auch eine Apotheke, man braucht eine Lizenz», erklärt er. Und diese koste rund 300'000 Euro, könne aber je nachdem auch mehrere Millionen Euro kosten. «Und das zeigt auch: Es geht um die Verteidigung von Pfründen», sagt Vögeli.
Was sagt die Regierung zu diesem Streik? Die Regierung von Giorgia Meloni habe im Wahlkampf faktisch ein Weiterführen dieser Preisnachlässe versprochen, so Vögeli. Jetzt winde sie sich mit Ausreden raus, versuche den schwarzen Peter weiterzureichen. «Das ist aber nicht geglückt», sagt Vögeli.
Um dem Ärger die Spitze zu nehmen, sei Meloni den Tankstellenbetreiberinnen und Tankstellenbetreibern entgegengekommen – etwa mit Tankboni für Berufspendlerinnen und Geringverdienern.