Die italienische Regierung von Giorga Meloni hat das 2019 eingeführte Bürgergeld, den «Reddito di Cittadinanza», wieder abgeschafft. Sie braucht das Geld für andere Projekte. FAZ-Korrespondent Matthias Rüb über die Finanzpläne der neuen Rechtsregierung.
SRF News: Wo legt Italiens Regierung ihre Schwerpunkte beim Budget fürs kommende Jahr?
Matthias Rüb: Insgesamt werden die Ausgaben nicht stark ausgebaut. So steigt das prognostizierte Defizit von 3.4 auf 4.5 Prozent des BIP. Die Schuldenquote soll bei 150 Prozent verharren. 21 der 34 Milliarden Euro Mehrausgaben fliessen in die Abfederung der gestiegenen Energiekosten für Familien.
Meloni folgt beim Haushaltsgesetz ihrem Vorgänger Draghi.
Zudem sollen 5 Mrd. Euro in die Senkung der Lohnnebenkosten fliessen. Ministerpräsidentin Giorgia Meloni folgt mit ihrem ersten Haushaltsgesetz eigentlich ihrem überparteilichen Vorgänger Mario Draghi.
Wie viel Geld kann die Regierung durch die Abschaffung des Bürgergelds einsparen?
Man rechnet für 2023 mit Einsparungen in Höhe von 700 Mio. Euro, also nicht sehr viel. Das ist in etwa der gleiche Betrag, wie derzeit pro Monat für das Bürgergeld ausgegeben wird. Ganz abgeschafft wird der «Reddito» erst per 2024, dann soll aber eine andere Form von Unterstützung für Arme oder Arbeitslose eingeführt werden. Darum ist nicht ganz klar, was die Abschaffung des «Reddito» finanziell insgesamt bringt.
Wer ist wie stark vom Abbau beim «Reddito» betroffen?
Die Fünf-Sterne-Bewegung sagt, dass nächstes Jahr 660'000 Italienerinnen und Italiener keinen «Reddito» mehr erhalten werden. Viele von ihnen sind zwischen 50 und 60 Jahre alt, auf dem Arbeitsmarkt also schwer vermittelbar. Insgesamt erhalten derzeit rund 1.7 Millionen Menschen diesen Zuschuss. Von der Reform beim «Reddito» ist also mehr als ein Drittel der Empfängerinnen und Empfänger schon im nächsten Jahr betroffen.
Was tut die Regierung, damit die Armut deshalb nicht zunimmt?
Wer den «Reddito» nächstes Jahr verliert, wird gemäss jetzigem Stand keinen Ersatz erhalten, ausser den Zuschüssen für Gas und Strom.
Wie gross ist der Missbrauchsanteil beim «Reddito»?
Ganz klar, es gibt Missbrauch – das ist bei jeder Sozialleistung so. Melonis Vorgänger Draghi hatte die Bedingungen bereits etwas verschärft, indem man nur noch zwei Job-Angebote ablehnen durfte, ohne dass das Konsequenzen für den Bezug des «Reddito» hatte.
Der Betrug ist beim ‹Reddito› wohl nicht grösser als bei anderen Sozialleistungen.
Laut Schätzungen wurden seit Einführung des «Reddito» im Jahr 2019 Betrugsfälle im Umfang von 288 Mio. Euro aufgedeckt. Es gibt aber auch Ökonomen, die davon ausgehen, dass bis zu 30 Prozent der Bezüger gar nicht so arm sind, wie sie das darstellen, um die Unterstützung zu erhalten. Insgesamt aber ist der Betrug beim «Reddito» wohl nicht grösser als bei anderen Sozialleistungen.
Könnte die Abschaffung des «Reddito» zu Protesten führen?
In neapolitanischen Quartier Scampia haben 64 Prozent für die Cinque Stelle gestimmt, auf sie geht die Einführung des «Reddito» 2019 zurück. Das zeigt: Im Süden Italiens haben die Fünf Sterne grossen Rückhalt. Es könnte in diesen Regionen deshalb durchaus zu Protesten kommen.
Das Gespräch führte Roger Brändlin.