Das Meer im Seebad Brighton ist grau und stürmisch. Passend zur Stimmung vor dem Labour-Konferenzzentrum. Zornige Genossinnen und Genossen fordern zum Auftakt der Parteikonferenz nichts weniger als die Abwahl von Labour-Chef Keir Starmer.
Die Stimmung will nicht so recht zum Motto der Parteikonferenz passen: «Geeint für eine bessere Zukunft». Und an dieser müsste tatsächlich gearbeitet werden. Dem konservativen Premierminister Boris Johnson läuft es nämlich zurzeit gerade nicht so rund: Leere Regale in Einkaufszentren, explodierende Energiepreise und Hamsterkäufe an Tankstellen prägen den britischen Alltag. Eigentlich ideale Voraussetzungen für eine Oppositionspartei, um sich zu profilieren.
Doch Labour ist mitten in der Krise in erster Linie mit sich selbst beschäftigt. Seit Tagen streitet man, ob der frühere Labour-Chef Jeremy Corbyn am Parteitag sprechen darf oder nicht und nach welchem Wahlmodus die Partei-Spitze künftig gewählt wird. Blamabel sei das, sagt die mächtige Gewerkschaftschefin Sharon Graham: «Warum um aller Welt reden wir mitten in einer Krise über unsere internen Probleme? Ich würde vorschlagen, dass wir unsere Grabenkämpfe möglichst schnell beiseite lassen.»
Streit statt Politik
Noch deutlicher wurde der frühere Labour-Schattenkabiniett-Minister John McDonald auf BBC: «Schauen Sie sich die Sorgen an, mit denen unsere Wählerinnen und Wähler in der realen Welt kämpfen.» Steigende Energiepreise, grassierende Inflation und Kürzung der Sozialhilfe – eigentlich Kernthemen von Labour.
Im Grunde haben wir in dieser Zeit einfach unsere Identität verloren
Zwar hält der frühere Staatsanwalt Keir Starmer den Finger regelmässig mit forensischer Präzision auf alle Fehler, Unterlassungen und Irrfahrten der Regierung – die grosse Bühne überlasse er aber trotzdem Boris Johnson, sagt Lord Peter Mandelson, der frühere Kommunikationsdirektor des ehemaligen Labour Premierministers Tony Blair.
Kein Plan erkennbar
Seit 18 Monaten ist Keir Starmer im Amt. In weiteren 18 Monaten könnte es zu Neuwahlen kommen. Das Streben der Opposition müsse sein, die Regierung zu übernehmen, aber dazu müsse Starmer endlich in die Gänge kommen. Starmer müsse endlich seine Vision für das Land präsentieren. Mandelson fordert daher eine klare Kurskorrektur. «Die Labor Party wird sich nicht fit für die nächste Wahl machen, wenn sie nicht einen klaren Bruch mit den letzten 10 Jahren des Scheiterns vollzieht.»
Die Pandemie war in den vergangenen Monaten das alles dominierende Thema. Das Virus hat selbst der Politik den Sauerstoff entzogen. Mit der Rückkehr der Normalität möchten die Leute aber wieder wissen, wohin die Reise geht. In Brighton wird Keir Starmer in die Gänge kommen müssen und seinen Genossinnen und Genossen aufzeigen, woher der Wind unter seiner Führung weht.