Das Verhältnis zwischen Israel und Libanon ist kompliziert. Offiziell sind die beiden Länder immer noch im Krieg. Schon seit längerem wird über den Verlauf der gemeinsamen Seegrenze verhandelt. Die USA versuchten zu vermitteln und präsentierten auch einen Kompromiss.
Doch jetzt ist klar: Israel lehnt diesen Vorschlag ab – und hat die eigenen Streitkräfte in Alarmbereitschaft versetzt. Israel mache keine Kompromisse in Sicherheitsfragen, sagt die ehemalige SRF-Nahost-Korrespondentin Susanne Brunner dazu. Aber auch in Libanon habe es Widerstand gegen das Abkommen gegeben.
Libanon braucht Geld
Eines vorneweg: Der genaue Inhalt des nun gescheiterten Abkommens ist nicht bekannt. Trotzdem seien gewisse Punkte durchgesickert, führt Brunner weiter aus.
Kern des Vorschlags soll gewesen sein, dass Libanon in einem der umstrittenen Gebiete vor der Küste Libanons und Israels bohren und nach Gas suchen könnte, aber dann einen Teil des Profits an Israel abgeben müsste. Damit ist Libanon gemäss Brunner allerdings nun doch nicht einverstanden.
Gleichzeitig schwelt im Hintergrund seit Jahren ein grösserer Streit: nämlich um die Seegrenze zwischen den beiden Länder. Vor den Küsten Israels und Libanons gibt es nämlich eine Fläche, die besonders umstritten ist – auch wenn Brunner festhält, dass dieser Disput eigentlich bereits vor Jahren verhandelt und ausgeräumt wurde. Damals hatte es «die libanesische Regierung schlicht verschlafen», ihren Anspruch geltend zu machen, erinnert sich die Journalistin.
Als Israel in jenem Gebiet später Gas fand und dieses exportieren konnte, fühlte sich Libanon trotz der Vorgeschichte über den Tisch gezogen.
Die Neuauflage des Streits muss man auch vor dem Hintergrund sehen, dass sich Libanon in einer schlimmen Situation befindet. Vier von fünf Personen sind arm, der Staat sucht dringend nach Geldquellen.
Mit der aktuellen Gasknappheit in Europa sieht man hier grosse Möglichkeiten, auch wenn die Regierung im eigenen, unbestrittenen Teil des Seegebiets noch gar nicht angefangen hat, nach Gas zu suchen.
Israel hat natürlich einen Grund, Angst zu haben.
Aber wieso wurde ein Abkommen, das eigentlich bereits abgeschlossen worden war, neu ausgehandelt? Grund dafür seien Druckversuche der libanesischen Regierung. Oder besser: der Hisbollah.
Diese hat gemäss Susanne Brunner Israel mit Krieg gedroht, wenn sich Israel Verhandlungen verweigern würde. Brunner: «Israel hat natürlich einen Grund, Angst zu haben.»
Eine explosive Mischung
Ausserdem herrscht in Israel aktuell Wahlkampf. Und die Hardliner im Land betonen den israelischen Anspruch auf das Gas. «Es bleibt wenig Raum für einen Kompromissvorschlag», sagt Brunner – auch wenn sich die USA noch immer zuversichtlich geben, eine Lösung zu finden.
Kann trotz der Bemühungen der Biden-Administration kein Konsens erzielt werden, bleibt das Potenzial für weitere Eskalationen. «Die Daseinsberechtigung der Hisbollah ist die Bekämpfung Israels», führt Brunner aus.
Auf der Gegenseite dürfte im Wahlkampf in Israel mit einer harten Haltung gegen die von Iran unterstützten Islamisten gepunktet werden. «Es regiert nicht die Vernunft. Gibt es kein Abkommen, werden die Spannungen steigen», so die Einschätzung der Nahost-Kennerin.