24 Jahre lang regierte Baschar Al-Assad Syrien mit eiserner Hand. Dass der Diktator überhaupt so lange an der Macht bleiben konnte, war allem voran Russland zu verdanken: Mit seinem militärischen Eingreifen im Krieg in Syrien hielt es das Regime am Leben – und half ihm, weite Teile des Landes zurückzuerobern.
Putins Werk und Assads Beitrag
Der Kreml wurde zum Machtfaktor in Syrien. Er unterstützte Assad nicht nur militärisch, sondern pflegte auch Kontakte zu den Kurden und verhandelte mit der Türkei und dem Iran über Syriens Zukunft. Ganz im Stile einer Grossmacht, die die Welt in Einflusssphären teilt, Allianzen schmiedet und Abhängigkeiten schafft.
Nun soll Assad mit seiner Familie nach Moskau geflüchtet sein. Russische Nachrichtenagenturen melden, dass er dort Asyl erhalten soll. Es ist der stille Abgang des Diktators von Putins Gnaden. Und nicht das erste Mal, dass der Kreml einem gefallenen Günstling Zuflucht bietet.
Die Schutzmacht Russland konnte den Sturz des syrischen Regimes nicht verhindern. «Nun will es zeigen, dass es wenigstens das Leben und die Freiheit von Baschar Al-Assad gerettet hat», berichtet SRF-Korrespondent Calum MacKenzie aus Moskau.
Wie verlässlich ist der Partner Russland?
Mit der Stabilisierung des Assad-Regimes, das vor zehn Jahren in arge Existenznöte geriet, gelang Moskau ein geopolitischer Coup. «Russland konnte damit zeigen, dass es überall auf der Welt entscheidend intervenieren konnte – und nicht nur in seinen Nachbarländern», sagt MacKenzie. «Das entspricht dem Selbstbild der Kreml-Elite und hat dazu beigetragen, es auch in anderen Ländern zu festigen.»
Der Sturz des Assad-Regimes ist eine Blamage für Putin und schadet dem Ansehen von Russland als Partner.
Gleichzeitig stieg Russland zu einem ernstzunehmenden Akteur im Nahen Osten auf – und verfügte mit Assad über eine Marionette in einem strategisch wichtigen Land. Es sollte ein Pakt mit globaler Ausstrahlung sein: Wer Russland seine Loyalität erweist, hat einen mächtigen Verbündeten, der im Zweifelsfall auch militärisch die Muskeln spielen lässt.
Nun war Russland nicht mehr in der Lage, seinen Protegé in Damaskus zu schützen. «Das ist eine Blamage für Putin und schadet dem Ansehen von Russland als Partner», schliesst der Korrespondent. Gerade im Verhältnis zum Iran drohen Verstimmungen. Assad an der Macht zu halten, war ein Partnerprojekt von Moskau und Teheran – das nun im Desaster geendet ist.
Washington sieht Russland geschwächt
Der überstürzte amerikanische Rückzug aus Afghanistan wurde in Russland propagandistisch ausgeschlachtet. Nun dreht der Wind: Washington wertet Russlands Scheitern in Syrien seinerseits als Zeichen der Schwäche. «Russland konnte Assad nicht mehr helfen, weil die Ukraine seinen Truppen massive Schäden zugefügt hat», erklärte der scheidende US-Präsident Joe Biden.
Das ukrainische Aussenministerium schlägt in die gleiche Kerbe: Assads Sturz zeige, dass Russland zu schwach sei, um an zwei Fronten zu kämpfen. Die Botschaft aus Kiew und Washington ist klar: Russland ist geschwächt, hat seine Kräfte überdehnt – und kann auch im Ukraine-Krieg zurückgedrängt werden.
Für SRF-Korrespondent MacKenzie belegt die Ohnmacht, mit der Moskau dem Umsturz in Syrien begegnet ist, dass der Ukraine-Krieg massiv Kräfte bindet. Aber: «Das heisst nicht, dass sein Militär komplett am Anschlag ist. Es stösst aber offensichtlich an Grenzen.» Genauso wie die russischen Grossmachtambitionen, die vor den Augen der Welt zurechtgestutzt werden.