Michel Tadros öffnet sein kleines Geschäft im Zentrum von Damaskus erst nachmittags. Kundinnen und Kunden erwartet er ohnehin nicht viele. In den Regalen stehen Medizinalgeräte wie Blutdruckmesser. Im Schaufenster hängt ein verstaubtes Plastikskelett.
Er verkaufe billigen Ramsch aus China, sagt Tadros und lacht. «Immerhin kann ich jetzt auch türkische Geräte ausstellen.» Diese musste er vor dem Machtwechsel letzten Dezember noch weit hinten im Lager verstecken.
Türkische Produkte waren unter Bashar al-Assad verboten, weil der frühere Machthaber mit der Türkei zerstritten war. Dennoch läuft das Geschäft derzeit schlecht. Die Leute hätten kein Geld, sagt Tadros.
Stark behinderter Handel
Die syrische Wirtschaft kommt kaum voran, die Produktivität ging in den letzten Jahren sogar zurück. Ein Grund dafür sind die internationalen Sanktionen gegen Syrien, welche den Import und Export vor Produkten sowie den internationalen Geldverkehr praktisch verunmöglichen.
Tadros importierte früher Medizinalgeräte im grossen Stil nach Syrien und stattete ganze Spitäler mit ihnen aus – Aufträge in Millionenhöhe. Doch seine Firma musste 2011 schliessen. Es gab praktisch keine Frachtflüge mehr nach Damaskus, die Sanktionen ruinierten sein Geschäft.
2011 markiert den Beginn des Krieges in Syrien und damit auch eine neue Dimension der Gräueltaten des Assad-Regimes: Folter und Hinrichtungen in Gefängnissen, ganze Städte im Oppositionsgebiet wurden dem Erdboden gleichgemacht.
Die internationalen Sanktionen richteten sich gegen das Regime, doch trafen sie vor allem Syrerinnen und Syrer wie Michel Tadros.
Pharmaindustrie liegt am Boden
Die Amerikaner und der Westen hätten ihnen keine fortschrittliche Technologie schicken wollen, sagt er. Dies aus Angst, dass diese Geräte für kriegerische Zwecke hätten missbraucht werden können.
Medizinal-und Pharmasektor waren wichtige Pfeiler der Wirtschaft vor dem Krieg: Syrien lieferte Generika-Produkte in Entwicklungsländer zu sehr günstigen Preisen. Doch wegen der Sanktionen mussten viele Fabriken schliessen.
Dem früheren Regime habe das nicht sonderlich geschadet, sagt der syrische Wirtschaftsexperte Samir Aita. Und einige Fabriken seien zu Produktionsstätten der Partydroge Captagon geworden.
Das Regime aber habe die Sanktionen umgehen und seinen Militärapparat weiterhin unterhalten können, sagt Aita. Das Nachsehen hatte der Privatsektor. Heute sei praktisch die ganze syrische Wirtschaft von den Sanktionen betroffen, selbst die Landwirtschaft, die vor dem Krieg in der Lage war, die Ernährungssicherheit in Syrien zu garantieren.
Es drohen neue soziale Unruhen
Für die Landwirtschaft braucht es Bewässerungssysteme und dafür braucht es Strom. Doch die Sanktionen verboten Ex- und Import von Treibstoff. Und auf dem Schwarzmarkt war dieser zu teuer, um Bewässerungspumpen zu betreiben.
Das Resultat: Auch die Landwirtschaft darbt. Aita ist überzeugt, dass die Sanktionen gegenüber Syrien schnellstmöglich aufgehoben werden müssen. Andernfalls drohten neue soziale Unruhen.
Politische und wirtschaftlichen Stabilität seien eng miteinander verbunden. Solange nur wenige Stunden pro Tag Strom verfügbar, und der Treibstoff nur in Kanistern auf dem Schwarzmarkt erhältlich sei, könne die Wirtschaft nicht funktionieren.
Das aber habe eine enorme soziale Sprengkraft.