Vor zweieinhalb Jahren hat die Militärjunta in Myanmar die demokratisch gewählte Regierung weggeputscht. Die damalige De-facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi wurde weggesperrt. Unter anderem wurde der Friedensnobelpreisträgerin von 1991 Korruption vorgeworfen.
Suu Kyi war seither von der Bildfläche verschwunden. Mit ihrer teilweisen Begnadigung will das Militär nun ein Zeichen setzen, berichtet ARD-Korrespondentin Jennifer Johnston. Und doch versuche es weiter, jede Opposition im Keim zu ersticken.
SRF News: Die Militärjunta hatte Suu Kyi zu mehr als 30 Jahren Haft verurteilt. Nun wird sie «teilweise begnadigt». Was heisst das?
Jennifer Johnston: Suu Kyi wurde in fünf von 19 Fällen, in denen sie schuldig gesprochen wurde, begnadigt. Ihr wurden dadurch sechs von 33 Jahren Haft erlassen. Unter dem Strich bleiben also noch 27 Jahre Haft – und das für eine 78-jährige Frau. Die einzige gute Nachricht ist, dass Suu Kyi aus der Einzelhaft in eine Art Hausarrest entlassen wurde. Allerdings nicht wie früher in ihre Privaträume, sondern in ein Regierungsgebäude.
Haben Sie Informationen über Suu Kyis Gesundheitszustand?
Es gab immer Gerüchte, dass sie krank sein soll. Die Gefängnisleitung dementierte das aber vor wenigen Tagen und liess verlauten, dass es ihr gut gehe. Ob dem so ist, lässt sich kaum beurteilen, da Suu Kyi seit zweieinhalb Jahren von der Aussenwelt abgeschnitten ist. Ausser ihren Anwälten hatte niemand Kontakt zu ihr – und ihnen wurde ein Maulkorb verpasst.
Das Militär begründet die teilweise Begnadigung von Suu Kyi nun damit, dass heute ein hoher buddhistischer Feiertag ist. Im Rahmen dieser Feiertage ist es üblich, dass Gefangene zu tausenden freigelassen werden. In den vergangenen Monaten wurden auch immer wieder politische Gefangene entlassen. Dieser Fall der Begnadigung ist aber natürlich sehr aufsehenerregend: Er soll ein starkes Signal an die internationale Gemeinschaft senden.
Was erhofft sich die Militärjunta in Myanmar von diesem Signal?
Sie will zeigen, dass es eine politische Lösung des Konflikts geben könnte. Zudem will das Militär von der schwierigen Lage im Land ablenken. Denn es befindet sich derzeit im Bürgerkrieg.
Die Militärjunta soll weiter mit brutaler Gewalt regieren. Was hören Sie über die Lage in Myanmar?
Die Gewalt hat seit Anfang Jahr noch einmal stark zugenommen. Die Militärjunta hat schwere Luftangriffe geflogen, unter anderem anlässlich der Eröffnung eines Büros der Opposition. Dabei kamen viele Menschen ums Leben. Immer wieder werden ganze Dörfer niedergebrannt; viele Zivilistinnen und Zivilisten fallen den Angriffen zum Opfer.
Es gibt auch regelmässig Berichte, wonach ganze Familien über Nacht aus ihren Häusern verschwinden, weil sich eines der Familienmitglieder der Opposition angeschlossen hat. Solche Kollektivstrafen sollen abschreckende Wirkung haben: Niemand soll sich dem Militär widersetzen. Bei vielen Menschen hat das aber nur zu noch mehr Wut geführt und sie greifen selbst zu den Waffen. Im Land hat sich eine Spirale der Gewalt in Gang gesetzt.
Erst am Montag hat das Militär den Ausnahmezustand für Myanmar um weitere sechs Monate verlängert. Wie ist die teilweise Begnadigung von Suu Kyi vor diesem Hintergrund zu sehen?
Es ist möglich, dass das Militär nach der Verlängerung des Ausnahmezustands zeigen will, dass es sich bewegt. Allerdings soll die ganze Macht weiterhin beim Militär bleiben. Erstmal verändert sich also nichts. Und es wird im nächsten halben Jahr auch keine Wahlen geben, die der Bevölkerung eigentlich für diesen Monat versprochen wurden.
Das Gespräch führte Iwan Lieberherr.